0917 - Laertes' Grab
und gerne 10.000 Lebewesen an, doch über deren Beschaffenheit kann ich nichts sagen. Dazu müssten wir schon…«
»Landen!« Nicole schnitt ihr das Wort ab. Sie wandte sich an Rola, die wieder erschöpft in dem Formsessel lag. »Kannst du den Ort des Grabes näher bestimmen?«
Rola öffnete die Augen. »Der Berg - er schließt oben mit einem Plateau ab. Dort sind Sajol und ich notgelandet. Bringt mich dort hin. Schnell, unsere Kräfte lassen nach.«
Zamorra nickte Nicole zu. Die Französin ließ ihre Finger über die Tasten gleiten. Langsam begann der Spider an Höhe zu verlieren. Der Parapsychologe wandte sich an Aartje.
»Irgendwelche Lebensformen auf dem Plateau zu entdecken?«
Die Niederländerin schüttelte den Kopf.
»Nichts, absolut nichts. Der Aufstieg dürfte für die Lebewesen dort unten auch reichlich schwierig sein, so ganz ohne technische Hilfsmittel ist das bestimmt kaum zu schaffen.«
Zamorra zog die Augenbrauen in die Höhe. Berge wurden schon immer bestiegen und besiegt - mit oder ohne Technik. Dennoch glaubte auch er, dass sie dort oben alleine sein würden. Dennoch war Vorsicht angesagt.
»Schattenschirm einschalten.« Niemand sollte gefährdet werden - und dazu war diese Maßnahme nötig. Der Schattenschirm hüllte den Spider in eine Art schwarzer Wolke, die jegliche Sicht auf das Schiff nahm. Nur so konnten Menschen - und auch andere Völker - den Blick auf das Raumschiff heil überstehen. Wenn der Schirm einmal gesenkt war, dann reichte ein Blick auf die verwirrende Konstruktion, um einem Lebewesen den Verstand zu rauben. Nach wie vor hatte die irdische Wissenschaft kein befriedigendes Mittel gegen dieses Problem gefunden.
Zumindest keines, das problemlos und ohne großen Budenzauber anzuwenden war.
Der Spider schwebte kurze Zeit später über dem Plateau.
Nicole stieß einen Laut der Verblüffung auf als die Außenansicht den Landeplatz in der Vergrößerung zeigte.
»Ich denke, dein Grab hat Nachbarn angelockt, Laertes.«
Rola-Laertes trat dicht vor den Bildschirm. Schweigsam nahm die Doppelidentität die Bilder in sich auf.
Zamorra übernahm die Initiative.
»Landen. Aartje und Valentin bleiben an Bord.« Er überhörte das leise Murren der Niederländerin geflissentlich. Der Schattenschirm bleibt aufgebaut. »Wir anderen - fertig machen zum Ausstieg. Wir wollen sehen, dass wir dies hier so schnell wie möglich hinter uns bringen.«
Es gab keine Einwände - welcher Art hätten die auch sein sollen?
Professor Zamorra war der Erste, der Minuten später das Schiff verließ.
***
Kylion hatte gewartet, bis Gewena eingeschlafen war.
Die Neslin benötigten nicht viel Schlaf - wenn es sein musste, dann konnten sie tagelang darauf verzichten. Nach einer fehlgeschlagenen Schwangerschaft jedoch sah das bei den Frauen in den ersten Tagen ganz anders aus. Sie schliefen sich regelrecht gesund, nachdem die Raserei ein Ende gefunden hatte.
Kylion lief ziellos durch die Siedlung. Kaum einer der anderen Neslin ließ sich draußen blicken. Wozu auch? Es gab schließlich keine Ziele, die hier anzusteuern waren. Kylion wusste, dass die immer weiter um sich greifende Lethargie das vorzeitige Ende der Ansiedlung sein musste.
300 Jahre hatte es gedauert, doch nun glaubte wirklich niemand mehr daran, dass es für sie auf dieser Welt ein sinnvolles Leben geben konnte. Eine Gesellschaft, die sich nicht fortpflanzen konnte, würde zwangsläufig vergehen, das war klar.
Er hatte Stimmen gehört, die seinen Empfindungen aus der Seele gesprochen hatten. Es gab nur einen wirklich ehrenvollen Tod, und der fand nicht in einer Parzelle auf einer Liege statt, sondern auf dem Schlachtfeld.
Es schien noch eine zweite Emotion innerhalb der Siedlung zu wachsen - die Lethargie bekam ein Gegengewicht… Aggression. Unterschwellig noch, aber deutlich zu spüren. Kylion machte sich große Sorgen, denn es mochte so weit kommen, dass die letzten 10.000 Neslin sich gegenseitig töten würden, weil sie keinen anderen Sinn mehr für ihr Leben finden konnten, als zu töten.
Und wenn schon - was war daran so falsch?
Kylion verdrängte diesen Gedanken, auch wenn ihm das mit jedem Tag schwerer fiel. Warum hatte es so lange gedauert, bis die Verzweiflung der Neslin ins Unermessliche gestiegen war? Kylion wusste darauf keine Antwort, doch nun schien die Zeit gekommen zu sein. Wahrscheinlich fehlte nur ein einziger Funke, um das Feuer der Wut zu entfachen.
Der entsetzliche Schrei kam aus einem der dreistöckigen
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