Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0918 - Auf der Schwelle der Zeit

0918 - Auf der Schwelle der Zeit

Titel: 0918 - Auf der Schwelle der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
Vom Netzwerk:
nie krank. Als Kind habe ich mir einmal den kleinen Finger gebrochen. Ich hab ihn einfach wieder geradegebogen und mit Tape an den Ringfinger geklebt. Am nächsten Tag war er so gut wie neu. Vor ein paar Jahren war ich in Sibirien, weil man dort Werwölfe gesehen haben will. Was natürlich Blödsinn war. Aber es gab echte Wölfe und einer hat mich angefallen und gebissen.« Er hielt ihr den linken Unterarm entgegen. »Hier! Die Wunde war eine Woche später vollständig verheilt. Nicht einmal eine Narbe ist zu sehen. Seit ich denken kann, habe ich ein unglaublich gutes Heilfleisch! Aber das hier…« Er fasste sich an die Bisswunde am Hals und zuckte sofort wieder zurück. »Oh Kacke, tut das weh! So etwas habe ich noch nie erlebt. Das geht nicht mit rechten Dingen zu. Und wenn du sagst, es war doch ein waschechter Vampir, tja, dann war es eben ein waschechter Vampir.«
    Er setzte sich im Bett auf und stützte sich mit den Unterarmen ab.
    »Aber wenn ich anerkenne, dass es Vampire gibt, muss ich mir auch eingestehen, dass das, was du Zauber nennst, mehr ist als irgendein Hokuspokus. Wer bist du? Was hast du mit all diesen Dingen zu tun? Woher kannst du all das?«
    Dylan glaubte einen tiefen Schmerz in Ankas Augen zu erkennen, die plötzlich wässrig schimmerten. Sie räusperte sich. »Die Grundzüge weiß ich von meiner Mutter. Sie hat mir sehr viel beigebracht.« Sie stockte und wischte sich über die Augen. »Ein Dämon hat sie getötet.«
    »Das tut mir leid!«
    »Ja, mir auch. Und seit damals… seit damals bin ich… ach, vergiss es! Ich will nicht darüber reden.«
    »Wie du meinst. Sprechen wir lieber wieder über mich.« Dylan musste mehrmals fest schlucken, bevor er fortfahren konnte. »Was passiert nun mit mir? Hab ich überhaupt noch eine Chance? Oder werde ich auch zu so einem Ding?«
    Anka schüttelte den Kopf. »Nein. Das lasse ich nicht zu!«
    »Und wie willst du es verhindern?«
    Sie bückte sich und holte etwas unter dem Bett hervor. »Ich hab einen deiner Stühle in der Küche kaputt gemacht. Tut mir leid.« Dann hielt sie ihm das hölzerne Stuhlbein entgegen. Es war angespitzt.
    Er sackte in sich zusammen. »Oh! Gibt es… gibt es keine andere Möglichkeit, als das da? Hat deine Mutter dir nicht einen Zauber beigebracht, der irgendwie mehr Bums hat?«
    Das Mädchen legte den Pflock zur Seite und fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt, als ich mich an einem Messer geschnitten habe. Es war nicht nur so ein kleiner Ritzer in der Fingerspitze, sondern einmal quer durch die Handfläche. Der Schnitt ging richtig, richtig tief.«
    Bei dieser Vorstellung lief Dylan ein grässliches Kribbeln über die Schulterblätter. Er wusste nicht, warum Anka ihm das erzählte, aber er unterbrach sie nicht.
    »Ich hab geschrien wie am Spieß und es hat lange gedauert, bis meine Mutter mich beruhigen konnte. Doch dann hat sie mir einen der kompliziertesten Zauber gezeigt, die sie beherrschte. Sie hat mir das Messer in die verletzte Hand gedrückt. Dann legte sie mir einen Arm um die Schulter und berührte mit der anderen Hand die Schneide. Zwei Minuten später war die Wunde verschwunden!«
    »Wow! Wie hat sie das gemacht?«
    »Das ist schwer zu erklären. Sie hat eine Art Blase um uns gelegt, in der die Zeit rückwärts verging. Bis zu einem Moment, bevor ich mich geschnitten hatte. Dann hat meine Mutter die Blase aufgelöst und ich war geheilt.«
    »Eine Zeitreise?«
    Anka schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht direkt. Und doch auch irgendwie schon. Das Messer und ich haben einen Zustand erreicht, den wir vor der Verletzung hatten. Wir sind aber nicht wirklich in der Zeit zurück gereist. Nur Ursache und Wirkung wurden rückgängig gemacht. Trotzdem konnte ich mich an alles erinnern. Wie gesagt, es ist schwer zu erklären.«
    »Und so etwas könntest du mit mir auch machen? Ich meine, mich in einen Zustand vor dem Biss versetzen?«
    »Theoretisch ja.« Sie betrachtete ihre Handflächen, als würde sie sich selbst die Zukunft weissagen. »Praktisch nein.«
    »Was spricht dagegen?«
    »Einiges.« Sie hob den Zeigefinger der rechten Hand. »Erstens habe ich es noch nie gemacht. Meine Mutter hat mir den Zauber zwar beigebracht, ich habe ihn aber noch nie benutzt.« Der Mittelfinger gesellte sich zu seinem Kollegen. »Zweitens ist es sehr schwer, die Magie zu timen. Bei mir und dem Messer ging es nur um ein paar Minuten. Bei dir wären es viele Stunden. Wenn ich einen Fehler

Weitere Kostenlose Bücher