0919 - Die Rache
Wasser bekommen, aber nie genug, und jetzt wartete sie förmlich darauf, daß die beiden zurückkehrten und ihr etwas zu trinken brachten.
Daß sie nicht in einem Verlies feststeckte, hatte sie längst an den Außengeräuschen hören können. Wahrscheinlich befand sie sich in einer Wohnung, vielleicht in einem großen Haus, denn oft genug waren Männer-, Frauen- und Kinderstimmen zu hören gewesen, aber kein Helfer hatte die Wohnung betreten.
Ludmilla war und blieb allein.
In dem Zimmer gab es zwar ein Fenster, aber durch die verhängte Scheibe konnte Ludmilla nicht erkennen, ob die Sonne hoch oder niedrig stand. Apathie hatte sie überkommen, und über ihre Lage dachte sie eigentlich nicht nach.
Die beiden Männer hatten sie nicht in dem Sinne körperlich gequält. Von Schlägen, die Zeichen und Wunden hinterließen, hatten sie Abstand genommen, schließlich sollten die Kunden eine »perfekte Ware« bekommen, aber es gab andere Quälereien, und die hatten Ludmilla geschafft. Sie fühlte sich entwürdigt.
Jetzt lag sie auf dem Bett.
Nackt und noch immer gefesselt. Es war ein altes Metallbett, und an dem oberen Gitterrand waren die Handschellen befestigt worden, die an den Gelenken schmerzten.
Die Beine konnte sie bewegen, anziehen und ausstrecken. Ihr Mund aber war zugeklebt.
Der verdammte Durst wollte nicht weichen. In dem Zimmer war es stickig, und zwischen den Wänden hingen Gerüche, die kaum zu beschreiben waren. Auf dem Körper klebte der Schweiß, und wenn Ludmilla die Augen öffnete, sah sie nur die schmutzige Decke über sich wo tote Insekten als schwarze Flecken klebten und anderes Getier mit flinken Beinen über die glatte Fläche hinweghuschte oder auch die Wände in Besitz genommen hatte.
Selbst das Bett war von den häßlichen Krabbeltieren nicht verschont geblieben, darum kümmerte sich Ludmilla nicht. Das brachte sie nicht um. Schlimmer waren die beiden Hundesöhne und der Durst.
Obwohl sie die beiden Kerle haßte, wünschte sie sich ihre Rückkehr. Da würde sie Wasser bekommen, vielleicht auch eine kleine Mahlzeit, denn sie sollte ja arbeiten.
Geschlafen hatte sie während ihres Alleinseins kaum. Hin und wieder war sie eingenickt, rasch aber wieder hochgeschreckt, weil schreckliche Träume sie verfolgten.
Über eines aber wunderte sie sich. In dem Zimmer gab es noch eine zweite Tür. Sie führte zu einer winzigen Dusche, in der sich auch die Toilette befand. Die beiden Kerle mußten sie für sich persönlich eingebaut haben, denn so etwas gehörte in Häusern wie diesen bestimmt nicht zum Standard. Ludmilla kannte den Bau zwar nicht, in dem sie steckte, aber aus ihrer eigenen Heimat waren ihr derartige Silos schon bekannt.
Überall in den Häusern gab es die gleichen Geräusche. Das Geschrei der Kinder, das Keifen wilder Frauenstimmen. Männer die grölten. Laute Musik, Auseinandersetzungen, verbal und körperlich. Das war eben ein bestimmtes Leben in einer bestimmten Welt.
Immer öfter verdrehte sie die Augen, um auf die Eingangstür zu schauen. Susa und Chicon waren gegangen, ohne ihr ein Ziel zu nennen. Aber sie hatten vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein wollen, um sie zu präparieren, wie sie sagten.
Ludmilla hoffte, daß es nicht noch einmal passierte, und sie den Horror abermals über sich ergehen lassen mußte.
Grauenhaft…
Sie fing wieder an zu weinen, wollte es aber nicht, weil sie befürchtete, daß ihre Nase verstopfte und sie dann keine Luft mehr bekam. Ihre Tränen stoppten, als sie Geräusche direkt an der Tür hörte. Das Lachen kannte sie. So lachte dieser Susa, der Typ mit dem Pferdeschwanz, der sich selbst als wilden Hengst bezeichnet hatte.
Er war es auch, der die Tür öffnete und sich mit einer schnellen Bewegung in das Zimmer schob. Susa trug viel Schmuck. Er sah weich aus, alles an ihm schien zu fließen. Ein schmieriger Vorstadtganove, der sich die männlichen Models in den Zeitschriften anschaute und nach ihnen sein Outfit bestimmte. Sein Gesicht war schmal, die Züge weich und verschlagen. In den dunklen Augen lag ein ständiges Glitzern, als hätte er sich eine bestimmte Flüssigkeit in die Pupillen geträufelt.
Hinter ihm schloß Chicon die Tür. Er trug eine Tüte, stellte sie auf dem Boden ab, ging zum Fenster und zog den Vorhang zur Seite.
Licht drückte sich in den Raum, und Ludmilla blinzelte.
Susa, der Mann mit dem Zopf, war neben dem Bett stehengeblieben. Er wippte dabei auf den Fußballen, und seine Finger hatte er hinter der
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