0919 - Die Rache
Pepe zitterte, als der Mann seinen Kopf bewegte und auch die Lippen in die Breite zog, als wollte er seinen Mund öffnen, was er aber nicht schaffte, denn nach wie vor war der Mund zugenäht.
Das Sirren blieb.
Diesmal gar nicht schrill, mehr insektenähnlich. Die Hand ließ den Stoff los, und Pepe lauerte darauf, daß dieses Wesen auf ihn zukommen würde. Noch hatte es sich nicht gedreht. Pepe bekam mit, wie es in seinem Gesicht zuckte und sich dabei die Nase bewegte, die durch die Verspannung ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen war.
Wie auch bei der Frau mit den gelblichen Haaren war sie in die Höhe gezogen worden und erinnerte dabei an die Nase einer Katze.
Pepe konnte es nicht glauben, daß die Gestalt nicht ihn suchte, sondern den Weg zur Tür nahm. Sie schaute sich erst gar nicht um, öffnete die Tür und verließ die Wohnung. Bevor er allerdings völlig verschwand, drehte er sich noch einmal um.
Er richtete den Blick der kleinen, geschlitzten Augen auf den Sessel, und Pepe fühlte sich erst jetzt richtig entdeckte. Er rechnete auch mit einer Aktion, aber das Wesen verschwand.
Leise zog es die Tür hinter sich zu. Es war nicht mehr zu hören, und Pepe fragte sich, ob er sich geirrt hatte oder ob es wirklich bei ihm gewesen war.
Vom langen Hocken waren seine Gelenke steif, und er mußte sich abstützen, um in die Höhe zu kommen. Auf die Lehne legte er seine Hände, beugte den Kopf vor und atmete die stickige Luft ein, die ihm jetzt allerdings, wo das Wesen verschwunden war, wieder besser vorkam.
Allmählich begriff er, was er da erlebt hatte, und er drückte seine gespreizten Finger gegen die Stirn. Sein Mund stand offen, er hörte sich heftig atmen und dachte darüber nach, daß er wohl nicht allein in der Wohnung war.
Vicenca!
Der Name seiner Frau raste durch seinen Kopf. Er war jetzt ziemlich lange mit ihr verheiratet. Ihre große Liebe hatte sich etwas abgekühlt, aber sie führten eine mehr oder weniger normale Ehe mit allen Höhen und Tiefen. Sie hatten sich sehr aneinander gewöhnt und wollten nicht auseinandergehen.
War Vicenca zu einem Opfer geworden?
Obwohl die Furcht ihn nahezu peinigte, mußte er es wissen, und plötzlich konnte er sich auch wieder bewegen, wobei er mit schweren und schleifenden Schritten auf den jetzt offenen Vorhang zulief, ihn ganz aufriß, damit das Licht auch in die Schlafkammer fallen konnte, denn dort gab es keine Deckenleuchte, nur die eine Lampe auf dem schmalen Beistelltisch zwischen ihren Betten.
Er sah Vicenca auf ihrem Bett liegen!
Tot! Wie tot!
Sie lag auf dem Rücken, die Arme berührten an den Seiten des Körpers das Bett, und ihre Augen standen weit offen, wie eben bei einer Leiche. Er kannte sich aus, denn er hatte in seinem Leben schon viele Tote gesehen.
Und jetzt Vicenca.
Oder?
Neben dem Bett fiel er auf die Knie, um sich aus der Nähe die endgültige Gewißheit zu verschaffen.
Er faßte sie an.
War sie kalt? Oder schon kalt?
Nein, ihre Gesichtshaut fühlte sich normal an. Sie war warm, und Pepe spürte, daß seine Frau lebte. Er sah auch kein Blut, es gab keine Wunde, keine aufgerissene Kehle, der unheimliche Besucher hatte Vicenca nicht getötet. Diese Tatsache sorgte bei Pepe für eine kaum zu beschreibende Erleichterung. Er sackte innerlich zusammen, er blieb auf dem Boden hocken und schloß dabei die Augen.
Überstanden!
Sie hatte es überstanden. Sie hatte das Wesen gesehen, aber es hatte ihr nichts getan. Wahrscheinlich war sie durch den Schock oder den Schreck so starr geworden. Wie dem auch sei, sie lag nicht tot vor ihm, und das ließ ihn innerlich jubeln.
Seine Hände lagen noch auf dem Bettrand, und er spürte plötzlich den Druck der anderen Hand auf seinen Fingern. Vicenca hatte sich bewegt und ihn angefaßt. Dann vernahm er ihren tiefen Atemzug und das dabei entstehende leise Röcheln, als wollte sie durch diese Anstrengung ihre Kehle freibekommen.
Pepe blieb knien. Er richtete nur seinen Oberkörper auf, um sie besser sehen zu können.
Vicenca hatte den Kopf gedreht, und beide schauten sich jetzt an.
Pepe irritierte noch der Blick seiner Frau, denn er war so wenig klar, und er sprach sie mit rauher Flüsterstimme an. »He, Muchacha, ich bin es. Ich - Pepe!«
Sie bewegte ihre Augen.
»Hörst du mich?«
»Du…«
Pepe fiel ein weiterer Stein vom Herzen, als er seinen Namen vernahm. Sie konnte sprechen, sie hatte ihn erkannt, sie war wieder soweit in Ordnung, und er gab einfach seinen Gefühlen nach und umarmte sie
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