092 - Der Herr des Schreckens
die Wolken auf. Irgendwo in dieser gigantischen Bergwelt befand sich das Kloster der Finsternis, in dem der Herr des Schreckens wohnte, und in dem Nicole Dulac gefangengehalten wurde.
Den Rest des Tages ruhten die drei Männer sich von den Strapazen der Reise aus und vertrieben sich die Zeit, so gut es ging. Kommissar d’Estienne machte sich ein paar Notizen, denn er wollte seinen Vorgesetzten einen ausführlichen Bericht erstatten. Es war nicht einfach gewesen, die Genehmigung zu der Reise nach Tibet zu erhalten.
D’Estienne fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut. Fast wünschte er, den Fall Dulac doch dem üblichen Dienstweg überlassen zu haben. Interpol hätte sich um das mysteriöse Verschwinden Nicole Dulacs kümmern können.
Doch so einfach wäre das auch nicht gewesen. Anzeichen für eine gewaltsame Entführung lagen nicht vor. Auch hätten die Leute von Interpol zunächst einmal überzeugt werden müssen, daß übernatürliche Kräfte im Spiel waren und Schrecken und Horror verbreiteten.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Rotchina, das Tibet annektiert hatte, waren auch nicht die besten, was bei Nachforschungen in Tibet wieder Schwierigkeiten und Verwicklungen nach sich gezogen hätte.
Der von Kommissar d’Estienne eingeschlagene inoffizielle Weg war schon der bessere. Falls er nichts erreichte oder gar spurlos verschwand, konnte Interpol sich immer noch des Falles annehmen. Das Verschwinden eines Kommissars der französischen Kriminalpolizei würde einen Grund zu energischem Eingreifen geben.
In der Nacht schliefen die drei Männer unruhig. Um drei Uhr morgens wurden sie von einem Diener geweckt und kleideten sich an. Plötzlich erschien der Schwarze Lama im Zimmer wie aus dem Boden gewachsen, obwohl die Tür verschlossen war.
„Wir gehen. Nehmen Sie nur das Allerwichtigste mit. Ihre Koffer werden später nach gebracht.“
Mit ihrem Handgepäck verließen die drei Männer das Haus, geführt von dem Schwarzen Lama.
Er ging ein Stück vor Dulac, Arvois und d’Estienne her.
Der Professor schwenkte das Stöckchen, das er von Giscard Chardier erhalten hatte. Die Niedergeschlagenheit und Verzweiflung waren von ihm gewichen, er war von wilder Entschlossenheit erfüllt.
Der Schwarze Lama führte die drei Franzosen durch die Außenbezirke Katmandus und durch Felder und Reisterrassen. Die Umgebung der nepalesischen Hauptstadt war fruchtbar.
Im Norden ragte das Massiv des Himalajagebirges auf, vom Süden her schützten die Vorgebirge das Land. Nepal ist ein von Bergen umschlossenes Hochland, dessen Bewohner hauptsächlich von den in fruchtbaren Hochtälern gedeihenden landwirtschaftlichen Erzeugnissen leben.
In einem Pinienwald wartete ein Hubschrauber.
„Der Herr des Schreckens bedient sich sehr profaner Hilfsmittel“, sagte Robert Arvois. „Bei einem Magier hätte ich etwas anderes erwartet als einen Hubschrauber.“
„Spotte nicht!“ antwortete der Schwarze Lama. „Los, steigt ein.“
Die drei Franzosen stiegen in den Hubschrauber, der speziell für die kalten Hochgebirgsverhältnisse ausgerüstet worden war. Die Kabine wies Plätze für zwölf Passagiere auf.
Der Schwarze Lama setzte sich in die hinterste Ecke und versank in Meditation. Robert Arvois schaute nach vorn zum Piloten ins enge Cockpit. Er betrachtete die vielen Instrumente und warf einen Blick durch die dicken Plexiglasscheiben.
Der Pilot war ein untersetzter, stämmiger kleiner Mann mit breitem Gesicht und platter Nase. Er sprach kein Wort. Er schob Robert Arvois zurück und knallte ihm die Cockpittür vor der Nase zu.
Die Rotorschraube begann sich zu drehen. Der Hubschrauber vibrierte, und ein dröhnender Lärm machte jede Unterhaltung unmöglich. Der Hubschrauber hob vom Boden ab und flog in nördlicher Richtung davon.
In der beheizten Kabine war es angenehm. Nachdem der Hubschrauber sich in die Luft erhoben hatte, war das Donnern der Rotoren zu einem gleichmäßigen Dröhnen geworden. D’Estienne holte ein Kartenspiel aus der Tasche hervor. Er und Dulac und Arvois begannen zu spielen, um sich abzulenken und die Zeit zu vertreiben. Sonst konnten sie nicht viel tun.
Der Hubschrauber flog nach Norden. Der Pilot folgte dem Verlauf von Hochtälern und fand enge Durchlässe durch die sich himmelhoch türmenden Berge, deren höchste die Achttausendergrenze weit überschritten. Die chinesischen Grenzkontrollen waren in diesem Gebiet nicht zu fürchten.
Der Schwarze Lama hockte mit
Weitere Kostenlose Bücher