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0921 - Die Trennung

0921 - Die Trennung

Titel: 0921 - Die Trennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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Karikaturisten. Sie saßen oder standen vor ihren Staffeleien, sprachen Touristen an und versuchten, ihnen mittelmäßige Porträts für viel Geld anzudrehen.
    Ein verlorenes Lächeln glitt über Nicoles Gesicht. Sie sah die Dinge, aber sie interessierten sie nicht besonders. Später würde sie sich erneut in den Trubel der Megastadt Paris stürzen und in der Rue du Faubourg – St. Honore shoppen gehen. Sie wollte sich ein hübsches Kleid kaufen, denn heute Abend stand ein Besuch im Crazy Horse an.
    Welches nehme ich? Mal wieder in knallrot, dazu pechschwarze Haare mit grünen Strähnen. Foolygrün. Ha.
    Sie lächelte vor sich hin.
    Wie es wohl Fooly geht? Hoffentlich ist er nicht noch dicker geworden.
    Wenn wir nur wüssten, was mit dem armen Kleinen vorgeht…
    Nicole spürte eine Welle warmer Gefühle für den im Koma liegenden Drachen aufsteigen, gemischt mit tiefer Besorgnis. Sie rührte in ihrem Kaffee herum, ohne es bewusst zu registrieren. Erst, als sich ein kleiner Schwall des heißen Gebräus auf ihre Hand ergoss, fand sie wieder in die Wirklichkeit zurück.
    »Aua.«
    Sie stellte die Tasse ab und wischte sich die Tropfen von der Hand.
    »Na toll, Flecken auf dem weißen Kleid. Da kann ich mich gleich wieder umziehen. Na, was soll’s.«
    Sie ging ins Schlafzimmer an den Kleiderschrank und wühlte planlos darin herum.
    Hoffentlich kümmert sich William weiterhin so rührend um dich, mein armer kleiner Drache. Schade, dass ich nicht bei dir sein kann. Und was Lord Zwerg wohl gerade macht? Ob er sich endlich an Anka Crentz herantraut? Und Patricia? Ich glaube, du wirst mich ganz schön verfluchen, weil ich einfach so abgehauen bin, meine Liebe. Jetzt wird’s erst einmal nichts mehr mit den gemeinsamen Canasta-Abenden. Irgendwann kriegst du deine Revanche aber, versprochen. So lange bin ich sicher nicht weg.
    Aber es musste einfach sein, weißt du. Ich brauche den Abstand von Zamorra, bloß ein paar Wochen, mehr nicht. Einfach mal ausbrechen, was anderes sehen und machen. Sonst werde ich verrückt. Wir haben uns einfach ein bisschen auseinander gelebt. Irgendwie schaff ich’s einfach nicht mehr so wie früher, nur seine guten Seiten zu sehen und alles so zu akzeptieren, wie es ist…
    Wie schon gestern und vorgestern versuchte Nicole, Entschuldigungen für ihr Tun zu finden und gedanklich auszuformulieren. Sie hoffte, dass es dadurch greifbarer für sie wurde. Aber das wurde es nicht. Was immer sie auch an Formulierungen fand, in welche neuen Zusammenhänge sie sie auch immer setzte, es gelang ihnen nicht, die nagenden Zweifel, die ständig in ihr hoch stiegen, auch nur ein klein wenig einzudämmen.
    Dazu kam Heimweh. Trotzdem war das Bedürfnis, losgelöst von Zamorra zu leben, momentan noch wesentlich stärker als der Drang, einfach wieder nach Château Montagne zurück zu kehren und sich tränenreich zu entschuldigen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass sie Zamorras starke Arme, sein Liebesgeflüster, seine unbändige Leidenschaft, sein breites Lachen, seinen Witz, seinen Charme, ganz einfach seine LIEBE, brennend vermisste. Denn auf der anderen Seite stand ihr unbändiger Zorn darüber, nicht sie selbst sein zu können, weil sie vom Schicksal in ein Spiel gewürfelt worden war, in dem sie bestenfalls als Schachfigur fungierte, herumgeschoben von unbegreiflichen Mächten. Mit einem möglichen Ende, das sie nicht nur das Leben, sondern sogar ihre Seele kosten konnte, die dann in immerwährender Qual brannte. Nie zuvor war ihr das bewusster geworden als in den letzten Wochen und Monaten.
    Dabei ahnte sie, dass sich ihr Zorn unter Umständen nicht nur auf Zamorra persönlich richtete, sondern auch auf das, für was er stand.
    Der Kaffee war längst ausgetrunken, trotzdem stand Nicole weiterhin mit der Tasse in der Hand mitten in der Küche.
    Habe ich mich etwa danach gedrängt, als Magierin durch die Weltgeschichte zu laufen und die Monster dieses Universums zu jagen? Und abends nicht zu wissen, ob ich morgens noch lebe? Ganz sicher nicht, mein lieber Zamorra. Muss ich’s haben, immer wieder unbeschreibliches Leid und Elend zu sehen, das mich bis in meine Träume hinein verfolgt? Auch nicht. Und muss es wirklich sein , dass ich Teil dieses beschissenen Amuletts bin, das niemand mehr kontrollieren kann und mit dem ich jetzt vielleicht sogar untergehen muss? Das macht mir tierische Angst, mein angebeteter Cheri. Und noch viel mehr, dass dieser gottverfluchte Assi die Blechscheibe jetzt hat. Bist du

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