0921 - Totengrinsen
gehörigen Teil der Schuld daran. Diese Gedanken drückten meine Kehle und meinen Magen zusammen. Ich hörte die eigenen Tritte überlaut. Die Absätze hämmerten auf den glatten Betonboden des Parkplatzes und hinterließen entsprechende Echos. Magensäure stieg mir hoch. Ich fing an zu keuchen, und der kalte Schweiß lag dick im Nacken und auf dem Gesicht.
Neben mir lief Suko. Ich wußte, daß er sich ebenfalls Sorgen machte, schaute aber nicht zu ihm hinüber, weil mich nichts ablenken sollte. Die geparkten Wagen tanzten vor meinen Augen. Über den Dächern flirrte der Hitzeschleier.
Der Golf stand als letzter in der Reihe, am Rande des Parkplatzes. Er verdeckte die Detektivin. Mein Gott, wie lange dauerte es denn noch, bis wir sie erreicht hatten?
Sekunden lösten sich auf in lange Zeitspannen, und plötzlich waren wir da.
Beinahe schon überraschend.
Wir stoppten.
Ich fiel nach vorn und stützte mich am Heck des Wagens ab. Suko lief an dem Golf vorbei und kam auf dem seitlichen Grünstreifen dicht neben der Buche zur Ruhe.
Wir betrachteten Jane Collins von zwei verschiedenen Seiten, sie lag genau zwischen uns.
Mein erster Blick galt ihrer näheren Umgebung.
Kein Blut. Keine roten Lachen, die sich um ihren Kopf herum ausbreiteten. Wenn man überhaupt davon sprechen konnte, dann war sie günstig gefallen.
Sie lag jetzt auf dem Rücken, und wir schauten ihr ins Gesicht. Dabei erschraken wir bis ins Mark, als wir die Farbe der Haut sahen.
Sie sah so blaß aus wie geronnenes Fett. Die Augen der Frau standen weit offen.
Und sie waren leer!
Mein Herz schlug wild. Der Magen krampfte sich zusammen. Ich stand, aber ich spürte auch, wie mich der Schwindel überkam, so daß ich mich am Fahrzeug abstützen mußte.
Jane sah wie eine Tote aus.
Ich hörte Sukos Räuspern, wollte mich bewegen, aber er streckte mir seine Hand entgegen. »Nein, laß mich es machen, John!«
»Okay.« Auf eine gewisse Weise war ich froh, daß Suko diese Aufgabe übernommen hatte. Ich sah trotzdem alles überdeutlich. Suko ging auf die Knie, direkt neben dem starren Körper der Detektivin, um wenig später mit seinen Untersuchungen beginnen zu können.
Er hob ihren linken Arm an und tastete nach Janes Puls. An seinem Gesicht war nicht abzulesen, was er fühlte. Er blieb beherrscht und starr.
Suko setzte seine Bemühungen fort. Der Herzschlag wurde von ihm kontrolliert, auch an ihrer linken Halsseite glitten zwei Fingerspitzen entlang. Einmal, zweimal…
Dann hörte er auf.
Ich starrte auf ihn nieder. Eine bestimmte Frage quälte mich, aber ich wagte nicht, sie zu stellen, weil ich mich schon jetzt vor der Antwort und der Wahrheit fürchtete.
Suko erhob sich.
Er tat es sehr langsam, wie jemand, der eingesehen hatte, daß die Zeit keine Rolle mehr spielte. Er bewegte dabei seinen Mund, ohne zu sprechen. Ich sah, wie er schluckte.
Suko runzelte die Stirn. Seine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Irgendwann hob er den Kopf und schaute über Janes leblose Gestalt hinweg auf mich.
Er sagte nichts. Aber der Ausdruck in seinen Augen war schon Antwort genug.
»Nein…«, flüsterte ich.
Suko hob die Schultern. »Ich weiß es nicht genau, John. Oder sagen wir so: Ich will es nicht wahrhaben…«
Mein Mund trocknete noch mehr aus. Ich hatte Mühe, die Worte zu finden. Die Sonne brannte auf uns nieder, doch ich kam mir vor wie in einem Kühlschrank. »Was weißt du nicht?« hauchte ich.
Er holte tief Luft. »Ob sie…«
»Tot ist?« würgte ich hervor.
»Ja, John, ja.«
Ich erwiderte nichts, auch weil ich nicht sprechen konnte. Ich stand einfach nur da, und der Druck hinter meinen Augen verstärkte sich. Ich wollte schreien, toben, weinen und vieles mehr, alles gleichzeitig, aber ich tat nichts dergleichen.
Ich stand einfach nur da und starrte ins Leere, wobei mir abwechselnd kalt und heiß wurde.
Mein Freund hob die Schultern. Seine Stimme erreichte mich wie aus weiter Ferne. »Es ist ja möglich, daß ich mich geirrt habe, John. Vielleicht solltest du es noch…«
»Warum?«
»Tu es bitte.«
Ich tat es, auch wenn es mich Überwindung kostete. Wie Suko zuvor, so ging auch ich in die Knie und betrachtete den Körper der Detektivin aus unmittelbarer Nähe.
In der Zwischenzeit hatte sie sich nicht bewegt, und sie bewegte sich auch jetzt nicht. Sie lag einfach nur da, und sie lag so da, wie die vielen Toten, die wir bereits in unserem Leben gesehen hatten.
Kein Puls!
Oder war er für mich nicht fühlbar?
Es fiel mir sehr
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