0921 - Totengrinsen
und so suchte er den Kontakt.
Diesmal schloß er die Augen. Auch die beiden Lippen legten sich wieder zusammen, zum Zeichen, daß er gar nicht daran dachte, in seiner alten Form weiterzumachen. Er mußte neue Wege finden, und er hatte das neue Ziel plötzlich wieder.
Nicht Tim, nein, es war die Frau!
Sie hatte Tim verlassen. Sie wußte jetzt mehr als vor ihrem Besuch, und das konnte ihm einfach nicht gefallen. Wieder knurrte er leise vor sich hin.
Dann flüsterte er seinen Vorsatz: »Ich kriege dich! Ich werde dich fassen. Du wirst mir in die Falle laufen!«
Auf dem Boden blieb er hocken.
Er hatte jetzt Zeit. Und er fühlte sich so mächtig. Zugleich auch erhaben, denn wer immer sie sein mochte, entkommen konnte sie ihm nicht. Seine überempfindlichen Sensoren ertasteten sie, und er stellte fest, daß er sich aufzulösen begann.
Zwar saß er als Gestalt noch auf dem Boden, aber das war etwas, das sämtliche Mauern und Wände durchbrach. Er hatte sich wieder auf seine eigene Stärke besonnen und das äußerliche Menschsein vergessen. Es war sowieso nur für die anderen Menschen vorhanden. Tatsächlich aber lebte er in einer Welt, von der die anderen nichts wußten.
Nicht die Pfleger, nicht die Ärzte.
Nur er…
Sein Körper wurde schlaff. Die Hülle brauchte er nicht. Er wollte an seinem Platz bleiben. Nur nicht erheben und verschwinden, auch das Bett interessierte ihn nicht.
Es würde alles nach seinem Plan ablaufen.
Nathan war zufrieden. Die Frau war es nicht.
Er spürte, daß er immer mehr Kontrolle über sie ausübte. Sein Geist hatte sie gefunden. Er würde in sie eindringen und dorthin leiten, wo er es für richtig hielt.
Er war zufrieden.
Die Frau war es nicht. Sie konnte es nicht sein, denn sie mußte spüren, wie ihr die innere Kraft entrissen wurde, und nur danach hatte Nathan gestrebt.
Es war wieder gut.
Alles war gut…
***
Wir hatten den Parkplatz erreicht, den Wagen abgestellt, waren ausgestiegen, und während Suko die Tür abschloß, verzog ich das Gesicht, denn die verdammte Hitze hatte mich wie ein Keulenhieb erwischt. Ich blieb für einen Moment am Wagen stehen, wie ich es immer tat, drehte mich dann um und ließ meinen Blick über den Parkplatz streifen.
Da sah ich die Frau!
Daß ich sie nicht sofort erkannte, lag an der mich blendenden Sonne. Ich zwinkerte, suchte nach der Brille mit den dunklen Gläsern, aber sie brauchte ich nicht erst aufzusetzen, denn die Frau bewegte sich aus dem grellen Licht hervor.
Sie ging dorthin, wo es die Fahrer geschafft hatten, ihre Autos noch unter den Bäumen zu parken.
Uns war es nicht gelungen, der Rover stand schon in der Sonne.
Die Frau war Jane Collins.
Ich wollte ihr etwas zurufen, doch meine Stimme versagte noch in derselben Sekunde. Mir war aufgefallen, daß sich Jane nicht normal bewegte. Sie ging wie jemand, der Mühe hatte, sich überhaupt auf den Beinen zu halten. Jeder Schritt bedeutete für sie eine Qual. Obwohl ich sie höchstens drei Sekunden beobachtete, war die Zeit praktisch eingefroren, und mir kam es dreimal so lang vor.
»Verdammt, das ist doch Jane!« hörte ich Sukos Stimme, die mich aus meiner Lethargie riß.
Ja, es war Jane, das wußte ich auch. Aber sie mußte sich wahnsinnig schlecht fühlen, sonst wäre sie nicht wie eine Betrunkene gegangen. Zwar hielt sie sich noch auf den Beinen, das aber bereitete ihr Mühe, und sie bewegte dabei die Arme auf und ab, als könnte sie sich irgendwo festhalten.
Ihr Ziel, der Golf, war nicht mehr weit entfernt. Wenige Schritte nur noch, dann hatte sie es gepackt.
Nein, sie schaffte es nicht mehr. Kurz vor dem Erreichen des Autos brach sie zusammen.
Da waren wir bereits gestartet und unterwegs. Wir mußten praktisch die gesamte Breite des Parkplatzes überqueren, was normalerweise kein Problem war, hier aber kam es auf jede Sekunde an, und wieder zog sich die Zeit.
Mein Herz raste, was nicht nur mit dem schnellen Laufen und der Hitze zusammenhing. Ich hatte auch Angst um Jane. Das Gefühl durchflutete mich, und immer wieder kehrten während des Laufens die letzten Bilder zurück.
Ich sah sie gehen, ich sah sie fallen, und ich sah auch, daß sie sich nicht vom Boden erhoben hatte.
Sie war liegengeblieben.
Einfach so.
Warum nur?
Was passierte mit ihr? Hatte sie einen plötzlichen Schock erlitten? Einen Herzschlag? Einen Hitzschlag? Alles war möglich.
Ich machte mir Sorgen, zudem Vorwürfe, nicht mit ihr gefahren zu sein. Wenn ihr etwas passiert war, trug ich einen
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