0921 - Totengrinsen
Lächeln war einfach widerlich. Es war entstellt, entartet, wie auch immer. Sie ekelte sich davor, sie wollte es abwehren, sie schüttelte sich innerlich, und mit diesem Gefühl drang auch die kalte Angst in ihr hoch.
Ja, Jane spürte die Angst, und die blieb auch, denn das Gesicht blieb. Mit kalten und bösen Augen glotzte es nieder.
Jane sah in diesen Augen ein Leuchten und zugleich einen bestimmten Ausdruck, den sie nur schwer deuten konnte. Es lag alles und nichts darin. Eine Gier, ein Wissen, ein Schrecken, der über die Menschen kommen sollte, einfach ein gefährliches Konglomerat, dem sie nicht ausweichen konnte.
Hinzu kam das Totengrinsen!
So wie dieses Gesicht grinste kein Mensch. Das war eigentlich nur einer Leiche möglich. Bei einem Menschen, der mit einem letzten Grinsen auf den Lippen gestorben war.
Eklig, geifernd, widerlich. Als wollte der Mund noch etwas einschlürfen, bevor er sich schloß. Ein lechzendes Grinsen, fettig, wissend zugleich. Das Grinsen besagte, daß der Mensch, der so produzierte, jeden oder jede bekommen konnte, die auf der Liste stand.
Furchtbar.
Jane wußte nichts mehr. Sie hörte auch nicht mehr die Musik, selbst das Licht war hinter dem haarlosen Kopf verschwunden. Das Gesicht nahm alles weg.
Es gab nur diesen glatten Schädel, und er beherrschte in diesem Tunnel einfach alles.
Der Mund blieb stumm. Er sprach nicht mit ihr, aber er sandte ihr trotzdem eine Botschaft zu, denn Jane wußte, daß sie allein nicht in der Lage war, gewisse Dinge zu ändern.
Die Augen glotzten sie an und stierten zugleich durch ihren feinstofflichen Körper. Es war einfach alles möglich, und sie spürte, daß ihre Furcht wuchs.
Das wunderbare und herrliche Gefühl war einfach verschwunden. Jetzt zählte einzig und allein das Gesicht mit dem Mund. Es sah so dicht aus, es war so wenig feinstofflich, dafür so verflucht echt.
Da bewegte sich der Mund.
Die beiden Lippen, die wie gemalt und nachgeschminkt wirkten, zogen sich zusammen, und das direkte Grinsen verschwand aus dem Gesicht. Jetzt war nur mehr die glatte, teigige Masse zu sehen, aber Janes Ekel blieb. Obwohl sie körperlos war, hörte sie eine Stimme, die zischelnd und flüsternd mit ihr sprach.
»Jetzt gehörst du mir…«
Jane selbst war nicht in der Lage, eine Antwort zu geben. Sie blieb einfach stumm, und das Grauen umgab sie wie ein enger Mantel. Sie hörte auch ihr Herz nicht schlagen, obwohl sie das Gefühl hatte, daß es schlagen würde.
Alles war so schrecklich anders geworden in dieser Welt zwischen Leben und Tod.
Jane überkam das Bedürfnis, weinen zu müssen, aber sie hielt ihre Tränen zurück.
Warum erlebe ich das? Warum reagiere ich so, als hätte ich einen Körper? Ihre Gedanken sackten weg, weil sie wieder die zischelnde Stimme des anderen hörte.
»Hast du gehört? Du gehörst jetzt mir!«
Böse und triumphierend hatten die Worte geklungen. Jedes einzelne war für Jane zu spüren wie ein geistiger Nadelstich, aber sie schwieg noch immer.
»Sag etwas…«
Sie sprach. Aber spreche ich wirklich? fragte sie sich. Kann ich die Lippen bewegen, oder formuliere ich nur Gedanken?
Jane wußte es selbst nicht, aber sie hörte ihre eigenen Gedanken im Kopf. »Was willst du?«
»Dich!«
»Warum? Was habe ich dir getan? Ich habe nichts gemacht. Ich bin nur bei ihm gewesen…«
»Ja, bei ihm… Was sagte er dir?«
»Er sprach von einem Gesicht…«
Nach dieser Antwort verzerrte sich der Mund wieder zu dem grausamen Totengrinsen, und beide Lippen blieben in dieser Haltung stehen. Durch die Öffnung gelang es Jane, auch eine Bewegung im Mund zu erkennen. Dort schlug etwas lautlos auf und ab. Sie ging davon aus, daß es eine Zunge war.
»Er hat mein Gesicht gemeint.«
»Das denke ich.«
»Was sagte er noch?«
»Ich weiß es nicht…«
»Er muß aber etwas gesagt haben…«
»Ja, er hat Angst!«
Jane hörte ein widerliches Kichern, als befände sich der Mund direkt neben ihrem Mund. »Angst hat er. Angst soll er auch haben. Er soll und muß einfach Angst haben, so und nicht anders will ich es. Er hat mir gehört, aber er ist mir entrissen worden. Man hat ihn mir genommen, man hat gegen mich gespielt, aber ich werde mir alles zurückholen. Ich habe auch dich geholt; du befindest dich in meiner Gewalt, in meiner Welt. Ich stehe zwischen dir und dem Ziel deiner Sehnsucht. Hast du es gehört?«
»Ja.«
»Kennst du meinen Namen?«
»Nein, nicht.«
»Willst du ihn wissen?«
»Ja - gern…«
»Man hat mich
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