0921 - Totengrinsen
leben.«
»Hat er das gesagt?«
Sie war sich nicht ganz sicher. »Irgendwie schon. Ich jedenfalls meinte, es herausgehört zu haben. Er lebt, John, ich weiß es. Dieser Killer mit dem Namen Nathan lebt.«
»Wo?«
Sie hob die Schultern.
»Das ist das Problem«, sagte ich grinsend zu Suko. »Wir müssen herausfinden, wo er sich aufhält.«
Es klang wie Galgenhumor.
»Ein Killer, der frei herumläuft?« sinnierte mein Partner und schüttelte den Kopf. »Das muß nicht sein.«
»Warum nicht?«
»Er könnte auch im Knast sitzen«, sagte der Inspektor und schaute mich dabei scharf an, als erwartete er jeden Moment einen heftigen Widerspruch.
»Im Knast«, wiederholte ich, um Zeit zu gewinnen. So ganz konnte ich dem Gedanken nicht folgen.
»Ich weiß es nicht. Irgendwie will mir das nicht in den Kopf. Dann hätten sie ihn gefaßt.«
»Morde hat er zugegeben«, unterbrach Jane meine Gedanken. »Nur so konnte er den Tunnel schaffen.« Ihre Stimme bekam einen frischen Klang. »Das ist doch unsere Chance. Es müßte doch herauszufinden sein, in welchem Knast ein Killer namens Nathan sitzt. Oder etwa nicht?«
»Sicher«, murmelte ich.
»Es ist einfach, John.«
»Hoffentlich.« Ich nickte den beiden zu. »Bleibt ihr zusammen. Ich gehe mal zum Rover und werde die Kollegen anrufen.«
»Okay.« Suko reckte einen Daumen in die Höhe und wies mir so den Weg zum Erfolg. Jane Collins sagte nichts. Erschöpft ließ sie sich in den Sitz fallen. Ich hörte nur noch, wie sie davon sprach, wie groß ihr verdammter Durst letztendlich war.
Da konnte auch ich mithalten. Aber der Schluck Wasser mußte noch warten. Zuvor kämpfte ich mich weiterhin durch die Schwüle, deren Folge einfach ein Gewitter sein mußte.
***
Nathan schrie!
Er brüllte nicht, er kreischte nicht, er tobte auch nicht in seiner Zelle. Er schrie innerlich, weil er den Eindruck hatte, angebrannt worden zu sein.
Nicht er selbst, nein, es war seine Seele oder seine zweite Existenz, die etwas mitbekommen hatte, und zwar in einer Form, wie er es bisher noch nie erlebt hatte.
Er war wütend und hockte auf dem Boden. Über sein glattes Gesicht liefen Tränen wie kleine Kugeln. Hin und wieder streckte er die Zunge hervor und fing sie damit auf, wenn sie sich seinem Mund genähert hatten.
Er kam nicht mehr zurecht. Alles war anders geworden. Er hatte gedacht, die Frau zu bekommen, die sein Opfer besucht hatte, aber es war ihm nicht gelungen. Genau im richtigen Moment war sie abgesprungen. Aber wie hatte sie das tun können?
Darüber grübelte Nathan nach. Jemand mußte ihr geholfen haben, das stand plötzlich für ihn fest. Es war urplötzlich über sie gekommen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Und er hatte die verdammten Schmerzen gespürt, die ihn aufwühlten, die Körper und Geist zugleich erwischt hatten. Es war so schlimm gewesen wie nie. Sein Tunnel hatte gezittert, er hatte beinahe kurz davor gestanden, sich aufzulösen. Und das konnte er nicht einfach hinnehmen.
Er stand auf.
Seine Bewegungen war nicht mehr glatt und sicher. Er torkelte mehr, als daß er ging und prallte gegen die gegenüberliegende Wand wie ein Gummimann. Er sank zu Boden, rollte sich dort herum und heulte leise auf. Seine Hände krallten sich in die Kleidung, als wollten sie den Stoff kurzerhand in Fetzen reißen.
Er blieb liegen. Drehte sich, zog die Beine an, ließ sie wieder vorschnellen, blieb auf dem Rücken liegen und starrte an die Decke, die wie ein graues Tuch wirkte.
Er jammerte vor sich hin. Sein Körper fühlte sich heiß an, als wäre er an verschiedenen Stellen angesengt worden. In seinem Kopf spürte er Stiche. Der Mund war nicht mehr zu einem breiten Grinsen verzogen, sondern stand jetzt weit offen, und aus ihm hervor tropfte der Speichel. Nathan wälzte sich auf den Bauch, zog die Beine ebenso an wie die Arme und krallte sich am Boden fest.
Es war nur mehr ein Versuch, nicht mehr, denn einen Halt bekam er so nicht. Er knurrte wie ein Tier. Dann öffnete er den Mund und saugte die Luft ein.
Sie schmeckte ihm nicht. Sie war anders geworden. Er empfand sie als widerlich. Etwas hatte sich ihm genähert und ihn völlig verwirrt.
Nathan stand wieder auf. Er lief auf sein Bett zu und ließ sich darauf fallen. Wieder erwischte sein Blick die Decke. Nicht nur sie war grau, auch die Wände, die ihn umgaben. Keine Bilder hingen dort, es gab keine Farbe, die etwas Buntes in dieses Trauma hineingezaubert hätte. Man hat ihn gefaßt, man hatte ihn für
Weitere Kostenlose Bücher