0921 - Totengrinsen
unzurechnungsfähig erklärt und ihn in die Zelle gesteckt.
Wie lange?
Für immer. Und es hatte ihm nichts ausgemacht. Die Zelle war nicht schlimm, denn keiner von ihnen hatte gewußt, mit wem sie es wirklich zu tun hatten.
Was wußten diese Ignoranten denn schon von irgendwelchen Kanälen, von Kontakten mit einer Geisterwelt, die für Menschen allein nicht sichtbar war?
Nichts wußten sie, gar nichts.
Sie lebten vor sich hin. Sie waren schlimm in ihrer überheblichen Ignoranz, und sie hatten gedacht, ihn ruhiggestellt zu haben, eben durch dieses Einsperren.
Ein Irrtum.
Er machte weiter. Er hatte die Macht, um seine Taten auf einer anderen Ebene durchzuführen. Man hatte ihm die Welten eröffnet, ihm, dem angeblich Wahnsinnigen, der so irre nicht war, sondern nur einen anderen Weg ging.
Aber jetzt war alles anders.
Nathan hatte einen Feind erlebt. Einen echten und verfluchten Feind. Er hatte ihm diese Frau entrissen, und er war kein Arzt gewesen, der wieder jemanden durch sein medizinisches Können dem Tod entrissen hatte. Bei dieser Frau waren andere Mittel eingesetzt worden, sonst hätte er nicht diesen grausamen Schmerz verspürt, von dem er sich nur mühsam erholte.
Allmählich gelang es ihm wieder, normal zu denken. Er lag mit offenem Mund da, lauschte seinem Alarmgerät, und in seinem Kopf jagten sich die Gedanken.
Es war nicht vorbei! Nein, es war nicht vorbei! Man hatte ihn entdeckt, und jetzt würde man versuchen, ihn auch zu finden. Er kannte seinen Feind nicht, aber Nathan spürte, daß dieser nicht aufgeben würde. Er war in seine Welt eingedrungen. Einfach so, viel zu glatt, und das konnte für ihn nicht gutgehen.
Nathan beschloß, nicht aufzugeben. Er wollte und würde kämpfen. Er würde es ihnen allen zeigen, das stand fest. Sie sollten ihr eigenes, verdammtes Elend erleben, und er hatte jetzt einen Vorteil.
Er kannte die Gefahr.
Ruckartig setzte er sich wieder auf. Wie jemand, der sich zu etwas entschlossen hatte, und in seinem Gesicht malte sich ein kalter und zugleich finsterer Ausdruck ab.
Nathan wischte sich die Tränen aus den Augen, und sein Mund bewegte sich, als würde er etwas essen. Die Hände hatte er auf die Knie gelegt, während er saß, und so wartete er ab.
Sie würden kommen.
Er glaubte daran.
Aber er war auch vorbereitet.
Die Zeit verging.
Minuten? Stunden? Er konnte es nicht sagen, weil ihn die Zeit nicht interessierte. Wer hier in diesem kahlen Raum hockte, für den war sie bedeutungslos geworden.
Seine Sinne waren wieder geschärft. Er lauerte darauf, daß sie ihn aus dieser stickigen Luft entfernten. Der Blick zum Fenster zeigte ihm, daß die Sonne bereits tiefer gesunken war. Trotzdem hatte die Hitze nicht nachgelassen.
Er schwitzte stark und wischte immer wieder seine Handflächen an der Kleidung ab, wo feuchte Stellen zurückblieben. Ihm war trotz allem kalt, und er hoffte, daß er die entsprechende Hilfe bekam. Schließlich war er nicht allein, denn eine große Macht stand hinter ihm wie ein mächtiger Felsen.
Ihn würden sie nicht sprechen können, ihn nicht, das wußte er genau. Er war einfach zu gut. Und die Macht war noch besser. Das Jenseits hatte sich auf seine Seite gestellt. Er diente ihm, er diente den Kräften, die schon uralt waren. Er war die Speerspitze des Bösen in dieser Welt, und er würde seinen Auftrag erfüllen.
Seine sensiblen Sinne nahmen die Außengeräusche wahr, die einen leichten Schauer auf seinem Rücken hinterließen. Sie kamen. Sie wollten ihn holen, denn die Zeit, um das Essen zu fassen, war noch nicht.
Nathan drehte sein Gesicht der Tür zu. Er kannte sich selbst sehr gut, und er wußte genau, wie er aussah oder aussehen wollte. Dazu brauchte er erst nicht in den Spiegel zu schauen.
Ruhig blieb er hocken.
Die Geräusche kannte er. Es waren immer die gleichen. Das Zurückzerren des Riegels, dann drehte sich der Schlüssel zweimal im Schloß, und wenig später war die Tür offen.
Wie immer kamen sie zu zweit. Die Wächter und Helfer hießen hier Bullen, weil sie allesamt einen bulligen Eindruck machten. Einer betrat die Zelle, der zweite wartete draußen. Derjenige, der die Zelle betreten hatte, winkte ihm zu. Auf seinem Kopf wuchs das Haar sehr kurz. Dafür fiel der dichte, dunkle Schnauzbart auf, der den grimmig verzogenen Mund beinahe vollständig verdeckte Der zweite Mann war kleiner, aber breiter in den Schultern. In seinem flachen, nichtssagenden Gesicht fielen höchstens die wasserhellen Augen auf. Stoisch
Weitere Kostenlose Bücher