0923 - Ice Road Shockers
kann man schon mal den Eindruck bekommen, du wolltest welchen haben.« Die Männer johlten vor Vergnügen.
Zamorra hatte das Fenster erreicht. Er hob den Arm, wischte einmal über das Glas und schaute hinaus. Nichts als makellos weiße Schneelandschaft unter einem grauen, wolkenverhangenen und frühmorgendlichen Himmel. Und doch… Das Gefühl blieb, ließ sich nicht abschütteln. Irgendetwas bahnte sich an, er wusste es einfach. Und es gefiel ihm nicht.
»Sieht nach Regen aus, hm?« Der dicke Kameramann war neben ihn getreten und schaute ebenfalls nach draußen. Manusco wirkte gelangweilt.
Zamorra nickte abwesend. »Wobei Sie bei diesen Außentemperaturen eher von Neuschnee ausgehen sollten.«
Grunzend wischte sich Frank mit dem Ärmel seiner dicken Jacke über die Nase. »Das ist schlecht.« Er hatte seine Kamera geschultert und schien wahllos mitzufilmen, was immer ihm vor die Linse kam. »Bei dem Wetter fährt es sich bestimmt nicht schön.«
Irgendein Teil von Zamorras Verstand verarbeitete die Information und schlussfolgerte, dass Frank wohl am Steuer des Wohnwagens saß, der zu ihrem Konvoi gehörte. Irgendein Teil seines Verstandes bemerkte auch den Kaffeeduft im Raum, die herzliche und entspannte Atmosphäre. Doch sein Bauchgefühl, auf das er sich noch meistens hatte verlassen können, war wie eine kleine Alarmsirene - und schaltete gerade zwei Stufen höher!
Im nächsten Augenblick erklang der Schrei.
***
»Wie pinkelt ein Eskimo?«, murmelte Jenny Moffat lustlos, zog sich die Schneehose wieder hoch und schloss den Reißverschluss. Dann trat sie zu dem kleinen Spiegel, der sich auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Klohäuschens befand. Sie blickte hinein und schenkte ihrer Reflexion das falscheste Lächeln, zu dem sie sich angesichts der Umstände noch aufrütteln konnte. »Na, ganz einfach. In Form von kleinen Eiswürfeln!«
Tusch.
Während sie sich die Trockenseife zwischen den Handflächen verrieb, ahmte Jenny mit dem Mund das Hintergrundrauschen nach, zu dem der Jubel einer großen Menschenmasse bei TV-Übertragungen von Sport-, Konzert- oder eben auch Comedy-Events verblasste. Ihr imaginäres Publikum liebte sie, trotz ihrer Uraltwitze. Danke , danke , dachte sie und hob in einer Geste gespielter Bescheidenheit abwehrend die Hände. Sie sind zu freundlich. Empfehlen Sie uns weiter, wir sind noch die ganze Woche hier.
Und das kam in etwa sogar hin. Zwar würden sie auch die nächsten Tage auf der Walz verbringen und stetig weiter gen Norden und zu dieser dämlichen Mine reisen, aber wenn die letzten Stunden ihr eines gezeigt hatten, dann, dass sich die Umgebung während dieser Tour kaum nennenswert veränderte. Überall weiß, überall eisig. Hier und da ein paar Bäume, die sich todesmutig den Elementen stellten. Tierspuren auf der Schneedecke. Und ein Himmel, der fast genauso schmutzig grau war, wie der Boden auf der Ice Road - sofern man diese überhaupt als Boden bezeichnen wollte. Noch zwanzig Kilometer, so hatte es ihr GPS im Wohnmobil verkündet, und sie fuhren über nichts anderes mehr als eine Eisdecke. Mit nichts als gefrorenem Wasser unter ihnen.
Kein angenehmer Gedanke.
Natürlich hatte sie gewusst, dass es so kommen würde. Vor ihrem Aufbruch hatte sie sich ausführlich über alle Aspekte der Tour informiert und dabei auch vor den geografischen und meteorologischen Voraussetzungen in den Nordwest-Territorien nicht haltgemacht. Und rein rational wusste sie, wie gering die Wahrscheinlichkeit war, dass ihr vonseiten der Ice Road irgendeine Gefahr drohte. Das Eis war momentan dick und stabil, genau deswegen ließ es sich in diesen wenigen Wochen des frühen Jahres ja mit den Vielachsern befahren.
Aber dennoch - so kurz vor der »Stunde der Wahrheit«, ging ihr allmählich die Muffe. Vertrauen war gut, Kontrolle blieb besser. Das war immer einer ihrer Wahlsprüche gewesen. Und sie hasste es, sich in diesem Fall allein darauf verlassen zu müssen, dass ihre Informationen zutrafen und das Eis sie hielt. Auf dem Hin- und dem Rückweg. Es würde ein paar Tage dauern, bis sie wieder feste Erde unter dem Schnee hatte, auf dem ihre Füße standen…
Die Journalistin fror. Nie zuvor hatte sie auf der Toilette das Gefühl gehabt, zu einem Eisklumpen erstarren zu müssen. Aber ich war auch noch nie im »Landgasthof« für kleine Mädchen. Auf dem Plumpsklo des Grauens, der letzten nicht-chemischen Toilette vor dem Nordkap.
Manchmal hasste sie ihren Job. Und es kostete sie eine
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