0928 - Das Hexendiadem
Volltreffer zu landen.
Jerome wusste, dass Grandmaman Lin Zeit ihres Lebens an die Welt des Übersinnlichen geglaubt hatte. Und so beschloss er, sich ihr rückhaltlos anzuvertrauen.
Pauline Lamont zitterte danach so stark, dass Jerome befürchtete, nach dem Löffel könnte nun auch ihr Gebiss jeden Moment in der Kräutersoße landen. »Grandmaman, was hast du, was ist denn los?«, fragte er fast panisch.
»Aber es kann nicht sein«, flüsterte sie eher zu sich selbst, als dass sie auf Jeromes Frage reagiert hätte. Dabei fixierte sie irgendeinen Punkt hinter Jerome an der Wand. »Das Hexendiadem hat sie doch besiegt. Jedenfalls… dachten das alle. Crowley hat es uns hoch und heilig versichert. War es doch nicht stark genug? Aber selbst, wenn sie wieder da ist, das ist ein schrecklicher Irrtum. Es muss einer sein. Die Hexe holt sich doch immer nur einen Caraman. Niemanden sonst. Einen Caraman. Sie muss doch Monsieur Maurice holen. Nicht Madame Amelie, die wohl nicht. Aber Monsieur Maurice, der müsste es sein. Die Zeit, die stimmt aber nicht. Sie ist zu spät. Ist das noch der Fluch?«
»Was redest du da, Grandmaman?«, fragte Jerome. Seine Wangen glühten wie im hohen Fieber. »Du sagst, dass sie eine Hexe ist? Das habe ich dir nicht erzählt.« Er sprang hoch, krallte seine Hände in ihre schmalen Oberarme und schüttelte sie fast. Dabei sah er sie flehend an. »Du kennst sie also. Los, sag mir, wer sie ist. Bitte, Grandmaman, sag mir, wer diese Madeleine Brissac ist. Ich krieg sonst die Krise, hier und jetzt.«
Pauline Lamont schien wie aus einem Traum zu erwachen. »Was? Nein, mein Junge, ich darf nicht darüber sprechen. Man kann das Unglück herbeireden, wusstest du das nicht?« Sie seufzte schwer. »Aber du musst dir keine Sorgen machen. Die Hexe wird ihren Irrtum noch einsehen. Und dann wird der arme Monsieur Maurice feurig zur Hölle fahren.«
Sie biss sich ihren Handknöchel blutig, aber Jerome bekam kein weiteres Wort mehr aus ihr heraus. Voller Wut rannte er aus dem Haus, stieg in sein Auto und raste davon.
***
Es war später Nachmittag, als Nicole und Ciranoush auf Gut Caraman ankamen. Das schlossähnliche Herrenhaus lag inmitten ausgedehnter Wiesen und Wälder direkt an der Kanalküste. Verschiedene Wirtschafts- und Wohngebäude gruppierten sich drum herum.
»Hm«, sagte Nicole, als sie auf den Hof fuhren, auf dem mehrere Autos standen.
»Was hmst du?«
»Ein wirklich schönes Anwesen. Sieht aus, als ob es uralt sei. Du wohnst wirklich in einer tollen Umgebung, Cira.«
»Ja. In einer Umgebung, in der eine Hexe ihr Unwesen treibt. Ganz toll.«
Nicole schleppte ihren Koffer zum Gesindehaus, das als lang gezogener Bau im rechten Winkel an den Haupttrakt angebaut war. Cira quartierte sie in einer leer stehenden Wohnung unweit der ihren ein. Sie war möbliert und geschmackvoll eingerichtet. Hier hatte eine Frau gewohnt.
»Das ist die Wohnung der toten Vilma, nicht?« Nicole sah Ciranoush streng an.
»Äh, ja, ich… ich hoffe, dass es dir nichts ausmacht?«, stotterte sie herum und wurde dabei wieder tomatenrot im Gesicht. »Oder sollen wir, also, was anderes suchen?«
»Na, lass mal, ich bin da nicht so zart besaitet. Aber du hättest es mir schon im Vorhinein sagen können. Oder dachtest du, ich merk's nicht?«
»Nein, sicher nicht. Ich hab mir… äh, nun, eben nichts dabei gedacht. Weißt du, das ist das einzige Zimmer hier, das gerade bewohnbar ist und ja eigentlich gemütlich. Weißt du, Vilma hatte keine Angehörigen, sie stammte aus dem Waisenhaus und so will die Sachen bisher niemand. Die Polizei hat die Wohnung auch wieder frei gegeben, nachdem sie sie durchsucht hat. Und Monsieur Maurice meinte, ich kann dich da schon wohnen lassen.«
»Meinte er, so.« Nicole wippte auf dem linken Fußballen. Dann lächelte sie plötzlich. »Na, der Geist der guten Vilma wird mich schon nicht besuchen kommen. Und wenn, dann unterhalte ich mich eben ein bisschen mit ihr. Möglicherweise kann sie mir ja was über die Hexe erzählen. Hilfe aus dem Jenseits und so.«
Nicole unterbrach sich sofort, als sie Ciras weit aufgerissene Augen und die Gänsehaut sah, die sich auf ihren Armen bildete.
Während Ciranoush in ihr Zimmer ging, räumte Nicole ihre Sachen in den alten Holzschrank ein. Zuvor musste sie jedoch erst einige Fächer von Vilmas ordentlich zusammengelegten Kleidern befreien, die sie auf andere legte. Das hatte schon etwas Makabres.
Es steigerte sich noch, als Nicole das Badezimmer
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