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093 - Das Hotel der lebenden Leichen

093 - Das Hotel der lebenden Leichen

Titel: 093 - Das Hotel der lebenden Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Coffin
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zum anderen springen.
    Keuchend erreichte John Mallory die abgeflachte Hügelkuppe.
    »Donnerwetter«, murmelte er entgeistert.
    Das Eiland war wirklich sehr klein. Man konnte in alle Richtungen blickend das Meer erkennen. Aber etwas anderes war es, was ihm den Atem verschlug.
    Mitten auf der Ebene, die sich eigenartig farblos vor ihm ausbreitete, stand ein großes, viereckiges von Steinsäulen umgebenes Bauwerk. Der dunkle Kasten hatte weder Fenster noch Türen.
    »Sieht ja seltsam aus«, murmelte der Steuermann.
    Er vergaß, seinen Kameraden die Beobachtung mitzuteilen, und begann hastig den Hügel hin abzurutschen. Alles in ihm fieberte, sich diese eigenartigen, wie Von Menschenhand geformten Gebilde aus der Nähe anzusehen.
    John Mallory stolperte über Schutt und Geröll, erreichte so etwas wie einen schmalen Pfad und blieb atemlos vor der ersten der Steinsäulen stehen.
    Sie zeigte die Gestalt eines Mannes in eigenartiger Kleidung.
    Der Kopf mit den spitz nach oben zulaufenden Ohrmuscheln und das furchtbare Gesicht, in dem die steinerne Nase abgebrochen war, gaben ihm das Aussehen eines Höllenbewohners.
    Dem Steuermann lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Er senkte den Blick und ging weiter.
    Ein zweites Standbild wurde sichtbar, genau so schrecklich wie das erste. Dann ein drittes, ein viertes und als er den Mittelpunkte des Ortes erreicht hatte, zählte John Mallory neun steinerne Standbilder.
    John Mallory blieb vor dem größten, eigenartigen Bauwerk stehen und blickte zu ihm empor. Er schätzte sei-ne Maße ab und kam zu dem Schluß, daß es fast acht Meter hoch war.
    Unvermittelt drang ein eigentümliches knirschendes Geräusch an seine Ohren.
    Der Steuermann fuhr herum und erstarrte.
    »Das — das ist...«, flüsterte er tonlos.
    Die unheimlichen steinernen Standbilder bewegten sich! Sie lösten sich von ihren Plätzen und kamen von allen Seiten auf ihn zu.
    Ungläubig starrte John auf die zu unfaßlichem Leben erwachten Steine.
    Langsam kamen sie näher. Mehr und mehr verringerte sich der Abstand.
    John Mallory wich bis an die Mauer des hohen Bauwerks zurück.
    Der Schweiß kam ihm aus allen Poren. Ein angstvolles Röcheln drang aus seiner Brust. Die Hände und den Körper an die Wand gepreßt starrte er den Unheimlichen entgegen.
    Plötzlich gab die leicht nach hinten geneigte Wand nach...
    ***
    »Aaaaah.«  Mit einem erschrockenen, schrillen Schrei fiel John Mallory hintenüber und schlug dumpf auf.
    Einen Moment blieb er benommen liegen, dann rappelte er sich hoch. Ein rötliches Dämmerlicht umgab ihn.
    Der Steuermann lauschte.
    Das Klopfen seines eigenen Herzens war das einzige Geräusch, das er hörte.
    Dicht vor ihm war eine Wand.
    John Mallory hob die Arme und tastete die massive Mauer ab. Keine Öffnung, nicht einmal der kleinste Spalt war zu entdecken.
    Es muß doch wohl ein Loch geben, dachte er verzweifelt. Irgendwie bin ich doch auch hier hereingekommen.
    Ein leiser, winselnder Ton war plötzlich zu hören. Er schien von überall her zu kommen und schwoll allmählich zu einem Orkan an.
    Es pfiff, orgelte und heulte ihm schaurig um die Ohren.
    Steuermann John Mallory war nie ein Feigling gewesen und hatte als Seemann dem Tod schon oft ins hohle Auge geblickt. Jetzt aber kroch ihm die Angst wie eisige Kälte in die Glieder und ließ ihn erschauern. Er hielt sich die Ohren zu und stolperte blindlings vorwärts.
    Allmählich gelang es ihm, in der Dunkelheit schattenhafte Gestalten zu erkennen. Sie umtanzten ihn mit schwerelosen, gleitenden Bewegungen und schienen ihm fortwährend zu winken, ihnen zu folgen.
    Von ihnen kam auch das schreckliche Geheul, daß jetzt wieder leiser wurde und schließlich erstarb.
    Eine neue Stimme nagelte John Mallory auf seinem Standort fest.
    »So also sieht mein Nachfolger aus.«
    Wie Tropfen fielen die hohlen Töne in den Raum. Sie brachen sich an den Wänden und hallten in vielfachem Echo nach.
    Mallory fuhr herum. Seine Augen fielen auf einen aus Felsstein gebildeten, thronartigen Sitz, auf dem leicht vornübergebeugt ein Mann saß.
    Die pechschwarze Bekleidung, dazu das blutrote Kopftuch, das seinen Schädel bedeckte, die riesigen, goldschimmernden Ohrringe und die grauenvolle Narbe, die sich diagonal von der einen zur anderen bleichen Gesichtshälfte zog, gaben ihm das Aussehen eines Piraten aus dem achtzehnten Jahrhundert.
    In der Gestalt schien kein Leben zu wohnen. Starr waren die unheimlichen Augen des Mannes auf John Mallory gerichtet.

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