093 - Das Hotel der lebenden Leichen

Commander?«
    »Ich muß diesen Connors, oder den Professor sprechen. Ich will jetzt wissen, was da heute abend mit mir los gewesen ist.«
    Commander Egerton riß die Tür auf.
    »Halt, Commander, warten Sie.« Doktor Ashorn rappelte sich hoch. »Ich komme mit Ihnen. Sie sind ja doch nicht zurückzuhalten. Obwohl — Ihre Gesundheit!«
    Sie marschierten durch den Korridor. Der kleine Doktor hatte Mühe mit den langen Beinen des alten Offiziers Schritt zu halten. In dem schmalen Gesicht des Commanders arbeitete es.
    »Für diese blödsinnige Geschichte muß es doch eine Erklärung geben«, murmelte er. »Ich bin doch nicht ver...«
    Egerton blieb abrupt stehen. Seine Augen wurden starr. Mit halboffenem Mund hielt er mitten im Satz inne.
    Doktor Ashorn folgte der Richtung seines Blickes, sah aber nichts.
    »Was haben Sie, Commander?« fragte er irritiert.
    Egerton fuhr sich mit der Hand an den Hals. Es war nicht warm auf dem Gang, aber auf seiner Stirn perlten kleine Schweißtropfen.
    »Dort«, preßte er endlich mühsam hervor.
    Doktor Ashorn sah mit Befremden, daß die Glieder des Commanders wie Espenlaub zitterten. Er packte ihn am Ärmel seines Schlafrocks und schüttelte ihn heftig.
    »Ich habe es Ihnen doch gesagt, Sie verdammter Dickschädel. Sie sind noch nicht auf dem Posten«, schimpfte er wütend.
    Der Commander schluckte. Die kleinen Tropfen auf seiner Stirn waren zu dicken Perlen angeschwollen. Sie begannen über seine kreideweißen Wangen abwärts zu rinnen. Sein Blick war starr auf einen Punkt gerichtet.
    »Sehen Sie doch dort, Doktor«, murmelte er mit brüchiger Stimme.
    Doktor Ashorn kniff die Augen zusammen. Jetzt sah er es auch. Eine Gestalt lag einige Schritte vor ihnen auf dem teppichbelegten Boden des Korridors.
    »Es... es ist der Professor«, stöhnte Egerton mit einem ächzenden Röcheln.
    »Das können Sie von hier aus doch gar nicht...« Der Doktor schritt entschlossen vorwärts. Er beugte sich zu dem Mann herab. Es war tatsächlich Hackert. Der Doktor drehte Professor Hackert auf den Rücken. Er war steif und kalt, und an seinem bleichen Hals waren deutlich dunkle Würgemale zu erkennen. Es stand fest, Hackert war schon länger als eine Stunde tot, aber vor einer Stunde hatte er ihn noch gesehen.
    Doktor Ashorn starrte die Leiche an und dann zu dem Commander hinüber.
    »Das ist unfaßbar«, sagte er dumpf. »Das gibt es einfach...« Der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken. Sein Blick war auf das helle Rechteck der halboffenstehenden Tür gerichtet.
    Er sah eine Ecke des Teppichs, auf der eine weiße, verkrampfte Hand lag. Doktor Ashorn merkte, daß jetzt auch seine Beine zitterten. Er holte ein paarmal tief Luft, dann gab er sich einen Ruck, stieg über die Leiche Professor Hackerts und stieß die Tür ganz auf.
    Es war der Kellner John, mit dem er schon einmal eine Partie Schach gespielt hatte. Ashorn mußte sich förmlich zwingen näher zu treten, um den Mann zu untersuchen.
    Auch bei John war schon die Leichenstarre eingetreten. Als der Arzt das Hemd öffnete, schloß er für einen Augenblick entsetzt die Augen.
    Doktor Ashorn biß sich auf die Lippen. Etwas Furchtbares begann in seinem Hirn zu wühlen. In seinen Schläfen war ein rumorendes Hämmern und Dröhnen. Er richtete sich auf und wankte auf weichen Knien zur Tür hinaus.
    Der Commander stand noch regungslos wie ein Denkmal an der gleichen Stelle. Sein Gesicht schimmerte kalkig in der dämmrigen Umgebung.
    »Kommen Sie, Commander. Wir müssen Mister Evans verständigen, die Polizei muß her.«
    Der alte Offizier rührte sich nicht.
    »Commander, ich muß Sie bitten mitzukommen«, drängte der Arzt.
    Im Gesicht des Commanders zuckte es. Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn.
    »Ja, natürlich«, murmelte er tonlos.
    Mit steifen Beinen setzte er sich in Bewegung, machte einen Bogen um die Leiche Professor Hackerts und marschierte den Korridor entlang. Commander Egerton war völlig durcheinander.
    Plötzlich wurden seine Schritte immer schneller. Mit langem, wehendem Morgenrock stürmte er die Treppe hinunter.
    In der großen Halle brannte nur eine einsame Wandleuchte.
    Schwer atmend blieb er am Fuß der Treppe stehen und blickte sich um. Die Türen zum Salon und zur Bar waren geschlossen. Die vertraute Umgebung wirkte seltsam befremdend und unheimlich.
    Doktor Ashorn trat keuchend neben ihn.
    »Sie müssen sich beruhigen, Commander. Es wird sich, alles aufklären.«
    Egerton gab keine Antwort. Er fuhr sich mit dem