0934 - Der Arm des Monsters
unter dem Gewicht einknickte, sie aber trotzdem noch hielt, so daß Shao relativ glimpflich davonkam.
Shao blieb inmitten der Zweige liegen, als hätte man sie einfach weggeworfen.
So fühlte sie sich auch. Wehrlos. So gedemütigt. Sie wußte auch nicht, ob sie das rechte Bein noch gebrauchen konnte oder nicht.
Aufzutreten wagte sie nicht. Zudem hätte sie sich erst aus dem Gebüsch hervorwühlen müssen, und so etwas hätte dieser Mann gar nicht zugelassen.
Er wollte noch mehr von ihr. Wie ein großer Schatten beugte er sich nach vorn, als er auf Shao niederschaute. »So«, flüsterte er, »ich erwarte noch eine Antwort. Ist es Angela, die du besuchen wolltest?«
Shao sah ein, daß es keinen Sinn hatte, zu lügen oder etwas zu verschweigen. »Ja!« keuchte sie. »Ja, verdammt noch mal, es ist Angela gewesen.«
»Die hast du besuchen wollen?«
»Ja.«
»Du kennst sie?«
Shao knirschte mit den Zähnen, was dem Mann nicht gefiel. Er zielte auf ihr Gesicht und sagte mit leiser, völlig kalter und emotionsloser Stimme: »Ich kann dir den Schädel zerschmettern, mit einer Kugel. Dann bist du tot. Daran solltest du denken.«
»Nein, ich kenne sie nicht«, antwortete Shao schnell. Sie wußte, daß dieser Kerl seine Drohung in die Tat umsetzen würde. Schließlich hatte er schon auf sie und Suko so heimtückisch geschossen.
»Ach.« Der Mann lachte. »Und das soll ich dir glauben? Du willst Angela besuchen, ohne sie zu kennen?«
»Nicht persönlich.«
»Und dein Typ wollte auch mitkommen?«
»Ja, ja…«
»Warum?«
Shao überlegte. Was sollte sie sagen? Sie mußte sich blitzschnell eine Ausrede einfallen lassen. Durch ihren Kopf strömte das, was ihr Jane noch an Informationen mit auf den Weg gegeben hatte. Daraus mußte sie die Antwort drehen. Sehr plausibel.
Krankenhaus! schoß es ihr durch den Kopf, und daran hakte sie sich fest. Für einen Augenblick war die Konzentration so gewaltig, daß sie die Schmerzen in ihrem Knie beinahe vergaß. »Wir kennen uns aus dem Krankenhaus, aus der Klinik…«
»Ach ja?«
»Ich habe dort - meine Güte, ich habe sie dort kennengelernt. Angela hat mich eingeladen, sie zu besuchen. Ich konnte auch meinen Freund mitbringen. Als ich sie anrief, hat sie mir erklärt, daß sie heute abend Zeit haben würde. Da sind wir gekommen.«
Der Mann lächelte amüsiert. Das war sogar in der Dunkelheit zu erkennen. »Meinst du denn, daß ich es dir abnehme, Lady?«
»Warum denn nicht?«
»Wenn mich jemand anlügt, merke ich es. Und ich hasse Lügen. Wie dem auch sei, ich werde die Wahrheit, noch herausfinden. Du kannst dich freuen. Ich lasse dich jetzt hier liegen. Dich und deinen Freund. Wenn ich zurückkomme und mehr erfahren habe, werde ich euch töten. Mit deinem Knie oder Bein wirst du kaum laufen können, und was mit deinem Freund ist, kannst du dir ja vorstellen. Bis später.« Er war ungemein von sich überzeugt und gab sich sehr sicher. Locker drehte er sich um und ging davon.
Shao blieb liegen, lauschte ihrem Atem und war verzweifelt, denn was dieser Mensch über Suko gesagt hatte, trübte ihre Hoffnung.
Auch sie war verletzt. Normal laufen konnte sie mit dem Knie nicht. Aber möglicherweise humpeln oder kriechen. Die Sorge um Suko war schlimmer als alles andere…
***
»Hi«, sagte Dorian Maitland und nickte seiner Frau zu. »Wie man sich doch irren kann, meine Liebe.«
Angela sagte nichts. Aber sie fing an, die Dinge zu begreifen. Dieses verdammt sichere Auftreten ihres Mannes, der den Fremden kaum beachtete, weil er ihn möglicherweise als normal hinnahm, der auch die Augen im linken Arm seiner Frau gesehen haben mußte, all das trug dazu bei, daß sich in ihrem Kopf ein bestimmtes Bild formte und allmählich zu einer düsteren Szenerie wurde, in der ihr Mann den Mittelpunkt darstellte. War er der Motor? War er die treibende Kraft des Ganzen? War er die Person, die über den Schrecken informiert war?
Glauben wollte es Angela nicht, aber die Tatsachen sprachen dafür. Er war es. Er spielte zumindest eine wichtige Rolle. Aber wie war es möglich, daß ihr eigener Mann mit Personen wie diesem Fremden mit dem einen Arm zusammenkam?
Jane hatte Maitland noch nicht gesehen. Die Detektivin stand gegen die Wand gelehnt im toten Winkel der Tür. Sie hatte auch ihre Beretta gezogen, hielt sie in der rechten Hand, und ihr Arm war nach unten gedrückt. Noch zeigte die Mündung zu Boden.
Jane dachte so wie Angela. Ein Mensch, der überrascht war, verhielt sich anders als
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