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0936 - Schattentheater

0936 - Schattentheater

Titel: 0936 - Schattentheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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mit dem Kopf von Tanabe-san davonlief.«
    »Sie haben ihn also nicht deutlich gesehen?«
    »Nur für einen Moment.«
    »Ich verstehe.«
    Nicole holte Luft. Wollte dieser Mann jetzt etwa anzweifeln, was sie gesehen hatte? »Minamoto-san, glauben Sie mir, ich habe viel Erfahrung mit Dämonen und ich weiß, wann ich einen vor mir habe. Dieser heute Abend trug die gleiche Kleidung wie Ihr Freund, der Theaterdirektor. Der Dämon wandte sich außerdem unter der Straßenlaterne um und sein Gesicht sah genau aus wie die Maske, die Ieyasu-san während der Vorstellung getragen hat. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, aber ich habe schon vor meiner Anstellung bei der deBlaussec-Stiftung mit Dämonen zu tun gehabt. Mehr, als mir selbst lieb war. Und was ich heute Abend gesehen habe, das war eindeutig. Ich habe schon mehr als einen Menschen erlebt, der für seine Kunst oder seinen Ruf mit einem Dämon paktierte.«
    Minamoto sah Nicole lange an. Sein Gesicht lächelte nicht mehr. »Madame, Sie werden verzeihen, wenn ich in mehreren Schritten darauf antworte. Gehen wir zunächst auf Ihre Vermutung ein, dass Ieyasu seine Gäste umgebracht haben könnte. Er selbst sicherlich nicht. Und er würde auch keinen Handel mit einem Dämon eingehen. Sie kennen ihn natürlich nicht so gut wie ich.« Er hob eine Hand, als Nicole ihn unterbrechen wollte. »Lassen Sie mich ausreden, Madame Deneuve. Ich glaube Ihnen, was Sie gesehen haben. Und ich kann Ihnen meine Vermutung auch gleich erläutern: Ich befürchte nämlich, dass sich ein Dämon des Leibes und Geistes meines Freundes bemächtigt hat.«
    Nicole starrte Minamoto überrascht an. Das hat er sich also schon gedacht. Aber warum schließt er so kategorisch aus, dass Ieyasu mit diesem Dämon im Bund steht? Nicole dachte unwillkürlich an Carrie-Ann Boulder, deren Freundinnen sich Erfolg und Glück gewünscht und deshalb einen Dämon, Vassago, beschworen hatten. Ein Pakt, den der Dämon selbst genauso wenig wieder lösen konnte wie der, der ihn gerufen hatte. Bei einem Künstler hielt Nicole diese Variante für wahrscheinlicher als eine einfache Besessenheit. Sie wollte Minamoto widersprechen, aber auf der anderen Seite konnte es ja nicht schaden, sich anzuhören, wie er seine Meinung begründete.
    »Das könnte durchaus möglich sein«, sagte sie schließlich diplomatisch und Minamoto nickte zufrieden. »Das, Madame, bringt mich zum nächsten Punkt, den ich zu Ihren Ausführungen gerade sagen möchte. Ich hatte bereits die Vermutung, dass Sie sich schon früher mit Dämonen befasst haben. Etwas in Ihrer… nun, Ihrer Aura bewies mir das bereits am Flughafen, auch wenn ich gestehen muss, dass ich schon dort besonders aufmerksam war.«
    Nicole starrte ihr Gegenüber verblüfft an. »Was soll das heißen?« Sie wehrte mit einem ungeduldigen Handzeichen ab, als Minamoto ihr Tee nachschenken wollte.
    Minamoto zeigte wieder ein leichtes Lächeln. »Bitte, Madame, meine Tante meinte, es sei nach einem solchen Abend für Sie besonders wichtig, den gesamten Tee, den sie bereitet hat, auszutrinken. Er hält böse Geister ab. - Ich habe Sie besonders aufmerksam beobachtet, weil mir bereits Monsieur Landru mitteilte, dass Sie Fähigkeiten besitzen, die über die seiner normalen Angestellten hinausgehen.«
    Nicole spürte erst nach ein paar Sekunden, dass ihre Kinnlade heruntergeklappt war, und schloss mit einem hörbaren Plopp ihren Mund. »Ich bin überrascht«, brachte sie mühsam hervor.
    Minamoto lachte leise. »Das denke ich mir. Eigentlich bat mich Monsieur Landru, Sie bezüglich seines Verdachts nicht aufzuklären, er hielt es allerdings für fair, mir seinen Verdacht mitzuteilen. Aber ich glaube, Sie haben es nicht verdient, Madame, dass man Ihnen mit Misstrauen begegnet. Bis wir diesen Dämon besiegt haben - und dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass Koichi Ieyasu nichts passieren und auch sein Ruf nicht leiden soll -, sollten wir uns vertrauen können.«
    Für ein paar Minuten war Nicole nicht imstande, zu antworten. Minamoto hatte bezüglich des Vertrauens genau gesagt, was sie gedacht hatte.
    Aber da war auch der Hinweis auf ihren derzeitigen Chef. Louis Landru wusste, dass mehr hinter ihr steckte als die einfache Julie Deneuve? Hatte er gar Verdacht geschöpft, dass es sich bei ihr um Nicole Duval handelte? Ihm war bereits bei der ersten Begegnung die Ähnlichkeit seiner Mitarbeiterin mit dem Porträt der Stiftungsgründer aufgefallen, aber er hatte sie nie wieder

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