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0942 - Die Prophezeiung des Uriel

0942 - Die Prophezeiung des Uriel

Titel: 0942 - Die Prophezeiung des Uriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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ein tibetischer Mönch. Oder ein Navajo-Schamane. Schließlich schloss sich der Salzsandkreis. Sie betrachtete stolz ihr Werk. Nach reiflicher Überlegung und einer Woche Recherche in Albertines Laden hatte sie sich entschieden: Sie würde den Fluch des Uriel loswerden. Und wie hieß das Sprichwort? Den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Genau das hatte sie vor.
    Yasmina nickte zufrieden. Sie hatte mit spezieller Kreide auf den Fußboden ihres Zimmers ein Pentagramm gemalt, sorgfältig mit Kerzen an der richtigen Stelle umgeben, den Salzkreis zur Sicherheit gestreut - bis auf eine letzte Kleinigkeit fehlte nichts.
    Das ist sorgfältiger, als ich je eines gemalt habe. Kein Wunder, dass Uriel sauer war, so wie ich gepfuscht habe! , dachte sie zufrieden mit sich.
    Es fehlte nur noch ein winziges Zeichen, dann hieß es nur noch warten - denn damit wäre die Beschwörung vollständig. Glücklicherweise waren sowohl Gaston als auch Jeanne im Moment nicht zu Hause. Vielleicht gab es Lärm und Yasmina war nicht bereit zu diskutieren. Jedenfalls nicht mit ihren renitenten WG-Mitbewohnern. Gaston hatte Dienst am Theater und würde wohl vor Mitternacht nicht wieder da sein, Jeanne war für ein paar Tage zu ihren Eltern gefahren.
    Yasmina setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Nun konnte es losgehen. Sie fasste die Hunderte geflochtener schulterlanger Zöpfchen, die sie trug, mit einem Gummiband zusammen, damit sie ihr nicht laufend ins Gesicht fielen, und beugte sich vor, um mit der Spezialkreide den letzten Schnörkel am Sigill anzubringen. Beinahe liebevoll malte sie den kleinen Haken nach einem letzten Blick ins Grimoire an die obere linke Spitze des auf dem Kopf stehenden Pentagramms in der Mitte des Siegels. Jetzt war es vollständig. Wieder bewunderte sie ihr Werk.
    Im nächsten Moment wurde es finster. Die Kerzen brannten zwar weiter, doch die Schreibtischlampe und das kleine Licht auf dem Nachttischchen neben ihrem Bett erloschen plötzlich, als habe man sie gleichzeitig ausgeknipst. Die Kerzen flackerten, als hätte ein Windhauch sie gestreift.
    Yasmina lief ein Schauder über den Rücken, als die leichte Brise sie erreichte. Sie war kalt, kalt wie eine Lücke in der Seele und schien aus dem Herzen des Sigills zu kommen. Auf einmal roch die Luft faulig, beinahe schwefelig.
    Dunkler Rauch bildete sich über dem Pentagramm, in einzelnen Schwaden, die sich über das Sigill bewegten, als untersuchten sie es. Als sie an den Salzsandkreis kamen, blieben sie stehen.
    Eine der Schwaden hielt genau vor ihr an. Sie wurde dichter, schwärzlicher und richtete sich auf, nachdem sie den Salzkreis abgetastet hatte. Der Schwaden verließ den Kreis nicht, stand aber direkt vor ihr, als würde er sie ansehen und abwägen.
    Yasmina starrte den dunklen Nebelschwaden an. Sie wagte nicht zu blinzeln. Sah das… Ding sie an? Sie fühlte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten und die Haut auf ihrem Rücken sich kräuselte. Auf einmal kam ihr die Idee, einen mächtigen Dämon zu rufen, der ihr bei ihrem Uriel-Problem helfen sollte, nicht mehr sonderlich clever vor. Auch wenn sie darauf geachtet hatte, dass dieser Dämon, den sie rief, den Menschen dem kabbalistisch angehauchten Grimoire nach auch durchaus nicht immer feindlich gesonnen war, sondern im Gegenteil gut auf Beschwörungen reagierte, für jeden Suchenden ein Quell des Wissens war und wahre und vollständige Antworten auf alle Fragen des Lebens geben sollte - genau, was sie suchte. Für einen Moment dachte sie daran, das Pentagramm wieder zu verwischen und alles abzubrechen.
    Doch in diesem Moment zogen sich die drei Nebelfahnen vom Rand des Salzkreises zurück in die Mitte. Sie verdrehten sich gegen den Uhrzeigersinn ineinander und stiegen zur Decke des Zimmers auf. Dichter und dichter woben sie sich umeinander herum und wurden schneller, immer schneller, wurden dichter und fetter, bis man nicht mehr durch sie hindurchsehen konnte. Ein Rauschen, wie von einem Sturm begann, der Gestank nach faulen Eiern wurde immer schlimmer. Gaston und Jeanne würden ganz schön sauer sein. Yasmina fuhr zurück und musste sich mit den Händen abstützen. Entsetzt starrte sie die dichter werdende, schwarze Rauchwolke an, die jetzt einen Durchmesser von nicht ganz einem Meter hatte und so dick war, dass man das Gefühl hatte, sie greifen zu können. Für einen Moment schoss Yasmina der Gedanke an frische Luft und das Fenster durch den Kopf, doch sie wagte nicht, den Blick vom Geschehen

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