0942 - Die Prophezeiung des Uriel
sah sich verwirrt und erschrocken um. Der Schrecken stand ihr, stellte er fest. Er würde sie öfter erschrecken müssen.
»Du… du bist Ashmodai?« Die Frage kam verhalten und ein wenig gepresst.
Asmodis hob die Augenbrauen. »So hat mich lange keiner mehr genannt. Aber ja, das bin ich wohl«, meinte er.
»Auch wenn mir lieber ist, du würdest mich Sid nennen.«
Wachsende Verwirrung machte sich auf dem schmalen, aber schönen Gesicht der jungen Frau breit. »Sid?«
Asmodis verzog einen Mundwinkel zu einem knappen Lächeln. »Sid Amos. Ein Anagramm der Bezeichnung Asmodis.«
Sie räusperte sich. »Ver-verstehe.« Immer noch starrten ihre Augen ihn groß an. Offenbar verstand sie gar nichts.
»Ich ziehe diese Gestalt, die du vor dir siehst, der alten gehörnten vor«, fügte er freundlicherweise hinzu. Vielleicht konnte er so dazu beitragen, dass sich die junge Frau etwas entspannte. So nett ihre Überraschung auch war, Asmodis wollte wissen, warum sie ihn gerufen hatte. »Was hattest du gedacht, Mädchen? Dass wir Dämonen gezwungen sind, nur in einer Gestalt herumzulaufen?« Er lachte, doch es klang wie ein kurzes Schnauben. Menschen. Manchmal sind sie doch recht begrenzt.
Sie antwortete nicht, sondern zuckte nur kurz und schüchtern mit den Achseln. Offenbar suchte sie immer noch nach Worten.
»Nun«, fragte Asmodis gemütlich. »Du hast mich beschworen, ein Zwang, dem ich grundsätzlich zu gehorchen habe. Bevor wir übers Geschäft reden, wäre ich dir jedoch ganz dankbar, wenn du mich aus diesem Kreis entlassen würdest. Und mir bei der Gelegenheit gleich einmal mitteiltest, mit wem ich es zu tun habe.«
Die Überraschung im Gesicht des Mädchens machte Argwohn Platz. »Mein Name ist Yasmina. Yasmina Azari. Und ich werde einen Teufel tun, den Salzkreis zu zerstören. Sie bleiben hübsch, wo Sie sind.«
Einen Augenblick dachte Asmodis darüber nach, den Salzkreis selbst zu durchbrechen. Doch dann verwarf er die Idee wieder. Sollte die Kleine doch ruhig noch etwas länger glauben, die Oberhand in diesem Spiel zu haben; das würde er ihr bei einer besseren Gelegenheit schon austreiben. Dämonen gewannen bei Beschwörungen immer, das würde sie noch merken.
Er nickte also nur freundlich. »Yasmina also. Nun gut, Yasmina. Was wünschst du? Weshalb hast du mich gerufen?«
Ein wenig zögerlich kam Yasmina auf die Füße. Trotz des ein wenig schlampigen und viel zu weiten Kleides aus lilafarbenem Baumwollmusselin konnte Asmodis erkennen, wie nett die Figur dieser jungen Frau war. Herzerwärmend geradezu, dachte er zufrieden. Als sie aufgestanden war, ging sie zum Fenster hinüber und holte einen gepolsterten Stuhl, mit dem sie vor dem Salzkreis stehen blieb. Vorsichtig, ohne selbst über die unsichtbare Grenze zu reichen, streckte sie Asmodis den Stuhl entgegen. »Damit Sie es sich etwas bequemer machen können«, sagte sie.
Beinahe hätte Asmodis laut losgelacht. »Befreien willst du mich nicht aus diesem Kreis, aber einen Stuhl bringst du mir!« Erheitert nahm er den Stuhl und ließ sich lässig darauf nieder. Yasmina setzte sich aufs Bett und starrte zu Asmodis herüber. Er sah sie unverwandt an.
»Also, die Vorstellung haben wir hinter uns gebracht. Was wünschst du, Yasmina? Warum hast du mich gerufen?«
»Ist es wahr, dass Sie auf jede Frage wahre und ausführliche Antworten geben?«
Sie hat die Goetia gelesen. Dort wird das behauptet, weil Salomo mich einst dazu zwang. Aber das ist Tausende Jahre her. Aber mal sehen, worauf sie eine Antwort will. Vielleicht kostet es mich ja nichts, sie zu geben.
»Ja, das ist richtig.«
Sie nickte kurz in sich hinein. »Kennen Sie den Erzengel Uriel?«
Asmodis unterdrückte einen Schauder. Uriel. Einer seiner Gegner, wenn auch kein so starker wie sein Erzfeind Raphael. Und auch den habe ich Jahrtausende nicht gesehen. Uriel ist der Engel des Todes. Er ist einigermaßen neutral in diesem Feld.
Er nickte langsam und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. »Uriel ist mir bekannt, ja. - Einer der vier Erzengel. Der des Todes«, fügte er großzügig hinzu. Yasmina ließ ihn nicht aus den Augen. Das machte Asmodis keine Angst, doch er wollte ja ihr Vertrauen gewinnen.
Yasmina nickte langsam. »Ich glaube, dass ich von Uriel verflucht worden bin.«
Asmodis hob die Augenbrauen. »Verflucht von Uriel?« Ich wusste gar nicht, dass Engel jemanden verfluchen können. Zumal Erzengel.
»Wie kommst du darauf, Yasmina?«
Sie seufzte und begann, an ihren
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