0947 - Das Voodoo-Weib
werden. Es brauchte niemand zu wissen, für wen ich arbeitete.«
»Da kannst du recht haben.«
»Außerdem geht man nicht so einfach zu ihr hin. Sie gewährt den Menschen, die etwas von ihr wollen, Audienzen. Da tritt sie wirklich wie eine Fürstin auf.«
Ja, das konnte stimmen. Ich wunderte mich nur, daß weder Suko und ich bisher etwas von ihr gehört hatten, wo sie doch in London existierte. Wahrscheinlich hatte sie es immer geschickt verstanden, uns zu umgehen, was nun nicht mehr möglich war, denn die vier Skelette redeten eine andere Sprache. Und keiner von uns wußte bisher, warum und weshalb die Männer gestorben waren. Nach wie vor umgab sie ein düsteres, voodoohaftes Geheimnis.
»Da gegenüber tut sich nichts«, sagte Suko. »Und wenn wir noch länger warten, wird sich auch nichts tun.«
»Du willst gehen?«
»Du nicht?«
Ich hob die Schultern. Als Suko mich erstaunt anschaute, sagte ich schnell: »Das ist keine Geste, die auf ein Kneifen hindeuten soll, mir schwirrt nur ein Plan durch den Kopf, und ich frage mich, ob wir nicht geschickter vorgehen sollen.«
»Wie meinst du das?«
»Getrennt.«
»Kann man darüber reden.«
»Das würde ich nicht vorschlagen«, mischte sich Bayou ein, der uns zugehört hatte. »Auf keinen Fall.«
»Warum nicht?«
»Sie ist sehr stark. Mit einem wird sie schneller fertig als mit zwei Gegnern. Geht lieber gemeinsam, das ist bestimmt sicherer. Ihr müßt mir glauben.«
»Was meinst du?«
»Es ist deine Entscheidung, John.«
»Okay, machen wir es zusammen.«
Bayou hielt uns fest. »Es bleibt ja dabei, daß ich nicht mit in die Hölle hineingehen muß.«
»Ja, dabei bleibt es.«
»Das ist gut.«
Er versuchte ein krampfhaftes Lächeln, aber viel wurde nicht daraus. Dafür beugte er seinen Kopf vor und zuckte sofort zurück, denn beinahe wäre er von einem Baseball-Schläger erwischt worden. Einer der Randalierer war nahe an der Hauswand entlanggegangen und hatte, um sich aufzuputschen, immer mit dem Schläger in die Luft geschlagen und sich seine Ziele möglicherweise vorgestellt.
Dann schrak er zusammen, als plötzlich der Schatten vor ihm erschienen war. Im nächsten Augenblick lag er mit dem Rücken auf dem Boden. Dorthin hatte ihn der Treffer katapultiert.
Er fluchte, war wütend, kam hoch, und dabei entriß ihm Bayou die Waffe. »Hau ab, du Stinker! Hau ja ab, sonst schlag ich dich damit windelweich.«
Der Knabe rannte weg. Erst keuchend, dann schreiend, und er ruderte dabei mit den Armen.
»Der Haß ist wirklich schlimm!« keuchte Bayou und schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht begreifen. »Der ist grausam, und der sitzt so verdammt tief.«
»Da sagst du was«, erwiderte Suko.
Ich schaute derweil nach links, die Straße hoch. Weit im Hintergrund stand der Himmel in Flammen. Ein unheimliches, rotes und flackerndes Leuchten huschte darüber hinweg. Das war kein Abendrot, sondern der Widerschein des Feuers. Ich glaubte auch, die fernen Schreie zu hören.
Wann endlich würde das ein Ende finden?
»Gehst du noch mit rüber?« fragte ich Bayou.
»Ja, aber dann halte ich mich zurück.«
»Gut.«
Er schaute uns noch einmal an, als würde er uns zum letztenmal lebend sehen. Dann huschte er auf seinen dicken Turnschuhen zur Seite und war wenig später aus unserem Sichtkreis verschwunden.
»Ich kann ihn sogar verstehen«, kommentierte Suko.
»Er muß seinen Job weitermachen.«
»Und wir unseren«, erwiderte mein Freund. Er übernahm die Führung und ging geradewegs auf den Eingang der Hölle zu. Ich blieb dicht hinter ihm. Noch war nichts Fremdes zu spüren, aber in meinem Magen hatte sich schon etwas zusammengezogen und bildete dort einen Knoten, der spürbar liegenblieb.
Suko drückte die Tür auf!
***
Wie stellte man sich eine Hölle vor?
Die meisten Menschen, die man fragte, sind durch Zeichnungen und Bilder beeinflußt. Da sahen sie die zuckenden Flammen, die großen Kessel, in denen Menschen in irgendwelchen Flüssigkeiten steckten und vor sich hinschmorten. Das waren die unterschiedlichen großen Teufel mit ihren Dreizacken, den roten Gesichtern, den Hörnern, die aus den Stirnen wuchsen, den langen Schwänzen und den wilden Bewegungen, mit denen sie die Kessel umtanzten.
Beobachtet von dem Herrn der Hölle, vom Meister aller Dinge, von einer schaurigen, schwarzen, ziegenköpfigen Gestalt, die auf einem Thron aus Leichen saß und sich an den Schreien der Gequälten ergötzte.
So war die Hölle oft beschrieben worden, so wurde auch
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