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0948 - Der Hort der Sha'ktanar

0948 - Der Hort der Sha'ktanar

Titel: 0948 - Der Hort der Sha'ktanar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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geschossen. »Eine Flasche Mumm-Sekt.«
    Das stimmte. Allerdings hätte das auch jeder gewusst, der das Bild schon einmal gesehen hatte. Zum Beispiel ein Gestaltwandler, der eine Haarlocke gestohlen hatte.
    Noch ein Versuch. Eine Falle. »Erzähl mir, wie es dir ging, nachdem ihr die Flasche ausgetrunken habt.«
    Der Junge lächelte. »Wir haben sie nicht ausgetrunken. Der Verschluss muss defekt gewesen sein, denn obwohl wir die Flasche frisch geöffnet hatten, schmeckte der Sekt schal und abgestanden. Wie eingeschlafene Füße. So hast du es damals genannt. Wir haben nur das Foto gemacht und ihn danach weggeschüttet.«
    Die Härte verschwand aus Steigners Miene. »Andreas? Du bist es wirklich?«
    »Ich bin es.«
    »Aber… aber wie? Du bist keinen Tag älter geworden! Du siehst aus wie… wie…«
    »Ich weiß. Du siehst aber auch nicht aus, als wären zwanzig Jahre vergangen. Lass uns reingehen, dann erzähle ich dir alles.«
    Steigner sah den Mann in Andreas' Begleitung an. Eine tiefe Traurigkeit schien ihn zu umgeben. Die Augen blickten in die Welt, als hätten sie viel Elend sehen müssen. »Und wer sind Sie?«
    Es dauerte einen Augenblick, bis der Fremde eine Antwort gab. Und selbst die nuschelte er mit seiner weichen Stimme dahin, ohne die Lippen allzu weit zu öffnen. Steigner befürchtete, sein Gegenüber fange jede Sekunde an zu weinen. »Mein Name ist Ben Griffith. Ich habe Andreas gerettet.«
    Jo führte die beiden ins Wohnzimmer. Absichtlich hielt er sich hinter ihnen, weil er sehen wollte, wie sein Sohn sich im Haus bewegte. Wie jemand, der die ersten siebzehn Jahre seines Lebens hier verbracht hatte? Oder doch wie ein Fremder?
    Wenn es überhaupt noch eines weiteren Belegs bedurft hatte, dass es sich bei dem Jungen um Andreas handelte, dann war es die Sicherheit, mit der er durch die Räume ging.
    Sein Sohn war zu ihm zurückgekehrt! Er konnte es nicht fassen.
    Doch was war mit Renate? Was war aus seiner Frau geworden? Er wagte nicht, danach zu fragen. Zu sehr fürchtete er die Antwort. Wenn Andreas seine Geschichte erzählte, würde er die Wahrheit noch früh genug erfahren.
    Andreas und Ben Griffith setzten sich nebeneinander auf das Sofa. Steigner ließ sich in einen Sessel sinken.
    »Ich weiß nicht, was damals genau geschehen ist«, begann Andreas seine Erzählung. Er stockte einen Augenblick, dann stieß er ein humorloses Lachen aus. »Wenn du mir gesagt hättest, dass es Dämonen nicht nur gibt, sondern du sie auch noch jagst, hätte ich dich wahrscheinlich für verrückt erklärt.«
    »Ich habe geglaubt, euch zu schützen, wenn ich euch nichts davon verrate.«
    Sein Sohn schenkte ihm einen Blick, der auch ohne Worte alles sagte: Das hat ja wohl nicht so richtig geklappt.
    Steigner presste die Lippen aufeinander und kämpfte die Tränen nieder.
    »Mama und ich waren auf dem Weg in die Stadt«, fuhr Andreas fort. »Und plötzlich stand da dieses Monstrum auf der Straße. Es ging alles so schnell. Mama bremste, da zerrte der Dämon sie auch schon aus dem Wagen. Ich… ich war wie erstarrt, wollte ihr helfen, wollte weglaufen, wollte um Hilfe rufen.« Seine Finger umspielten einander in einem nervösen Tanz. Den Blick hielt er auf den Boden gerichtet. »Stattdessen saß ich einfach nur da und sah zu. Als ich mich endlich bewegen konnte, war es zu spät. Er war bereits auf meiner Seite aufgetaucht und packte mich am Hals. Mir wurde schwindlig - und das Nächste, was ich weiß, ist, wie ich neben Mama im Wald auf einer Lichtung stehe. Der Eindruck währte nicht lange. Etliche Meter von uns entfernt sah ich dich. Du hast… ich weiß auch nicht… den Arm von unten heraus dem Dämon entgegengestreckt. So… als würdest du eine Bocciakugel werfen. Und plötzlich kam tatsächlich etwas auf uns zugerast.«
    Mit einer unbewussten Bewegung strich Jo Steigner über die Tattoos auf seinem Armband und nickte. Dennoch schwieg er.
    »Ich wollte mich ducken oder in Deckung springen, aber wieder war ich wie gelähmt. Diesmal aber nicht wegen des Schocks, sondern weil etwas mich festhielt. Wie unsichtbare Fesseln. Bevor uns dieses… dieses… was auch immer es war… traf, konnte ich die Panik in Mamas Augen sehen. Plötzlich war der Dämon hinter uns. Und dann erinnere ich mich nur noch an Schmerzen.«
    Steigner biss die Zähne so heftig aufeinander, dass die Kiefergelenke vor Pein auf jaulten. Das hatte er seiner Familie angetan. Damals hatte er die Magie des Armbands lange nicht so gut beherrscht wie heute.

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