095 - Rebellion der Regenwuermer
unsichtbare Macht weg. Dr. Laparouse konnte sich das nicht erklären, aber er hatte auch für Überlegungen keine Zeit. Er tat, was ihm Patoux empfohlen hatte, und sah sich bald von den reißenden Wassermassen in eine dunkle Grotte gespült.
Es kam ihm vor, als zöge ihn der Strudel in einen gewaltigen unterirdischen Ozean. Obwohl er ein routinierter Schwimmer war, konnte er sich nicht mehr an der Oberfläche halten, ein Sog zerrte ihn in eine Art gigantischen Trichter.
Noch ein paarmal versuchte der Arzt, nach oben zu kommen, dann schluckte er Wasser und verlor die Besinnung.
Als Dr. Laparouse wieder zu sich kam, hatte er zuerst große Mühe, sich zu orientieren. Er schlug mehrmals die Augen auf und schloß sie dann wieder, aber das Bild wollte sich nicht ändern. Über ihm dehnte sich ein samtener Sternenhimmel, und um ihn herum war alles trocken.
Was war denn überhaupt geschehen?
Er brauchte eine Weile, bis die Erinnerung wiederkehrte. Der tobende unterirdische Sturzbach.
Dr. Patoux, die beiden Vampire, die vielen gräßlichen Würmer. Er erschrak. Es war Nacht, die Zeit der Ungeheuer. Wenn sie nun …?
Nein, sie waren ja tot, zumindest der Harak-Dada. Aber Molard, den hatten die Würmer nicht zerfleischen können, der war doch irgendwohin nach oben entschwunden. Wenn der nun hier umging? Es war nicht auszudenken.
Und dann die Würmer, wo waren sie jetzt geblieben? Und wo war Patoux? Ganz sicher hatte ihn in der Höllengrotte der Tod ereilt, aber konnte man das wirklich hundertprozentig sagen?
Dr. Laparouse überlegte. „Sie haben den Halbmond“, hatte er zum Schluß gerufen, „der wird Sie beschützen.“ Was bedeutete das? Plötzlich kam er dahinter, als sein Blick auf ein schmales goldenes Kettchen fiel, das er um den Hals trug. Daran baumelte als Amulett ein Halbmond mit einem eingelassenen Rubin.
Er hatte es einmal vor Jahren bei einem Händler in einer marokkanischen Stadt erstanden. Der Halbmond mochte hier eine ähnliche Bedeutung und Wirkung haben wie das christliche Kreuz. Im islamischen Bereich wichen die Mächte der Unterwelt vor seinem Symbol zurück. Anders konnte es gar nicht sein. Der Arzt wiegte das Amulett in der Hand und streichelte es. Er würde es sorgsam hüten.
Er stand auf und sah sich um. Er befand sich hier auf dem Höhenmassiv, wo die Abschußanlage eingerichtet worden war. Sicherlich unweit der Stelle, an der ihn Patoux in die Höhle geführt hatte. Es gelang ihm rasch, sich zu orientieren und er war bald bei seinen Leuten angelangt. Sie bereiteten sich eben zur Abfahrt vor. Der Expeditionsleiter ging unruhig auf und ab. Als er den Ankömmling gewahrte, verriet seine Miene äußerste Ablehnung und Empörung.
„Nett, daß Sie wieder da sind, mein lieber Doktor“, stieß er zornig hervor. „Wir haben Sie stundenlang gesucht und wollten jetzt nach erfüllter Mission aufbrechen. Sie hätten dann allein zum Lager laufen können. Aber anscheinend haben Sie ja doch immer den rechten Riecher, wenn es um Ihre werte Person geht.“
Er unterbrach sich kurz und musterte seinen Arzt von Kopf bis Fuß. „Wo waren Sie übrigens, Doktor? Sie hatten sicher wieder ein geheimes Stelldichein mit Ihren grotesken Würmern oder Ihren Vampiren, nicht wahr?“
Dr. Laparouse überlegte kurz. „Gewiß“, erklärte er dann, „und ich würde Ihnen auch erzählen, was ich für unheimliche Dinge erlebt habe. Möglicherweise ist das für uns alle mehr als wichtig. Aber angesichts Ihrer total verbohrten Einstellung verzichte ich darauf. Sie würden mich doch nur für verrückt erklären. Allerdings hatte ich selbst diesmal nicht viel dazu getan. Dr. Patoux hat mich an den Schauplatz dieser Ereignisse geführt.“
Legrand nickte vielsagend. „So, so, Patoux“, murmelte er zwischen den Zähnen. „Der ist vor ungefähr anderthalb Stunden unter furchtbaren Krämpfen im Lager gestorben. Man hat es mir telefonisch gemeldet.“
Dr. Laparouse war zumute wie einem Menschen, dem der Boden unter den Füßen weg sackt. Er ließ die Schultern hängen und antwortete nichts.
Commandant Legrand kam auf ihn zu. „Wir wollen es uns leichter machen, Doktor.“ Seine Stimme klang nun fast wohlwollend väterlich. „Unsere Mission hier im Raum ist zunächst beendet. Ich mache einen kleinen Umweg auf der Reise in den Tschad über Fort Lamy. Da finden Sie ein Flugzeug nach Dakar und von dort eins nach Paris. Es hat keinen Sinn, daß wir uns hier weiter noch etwas vormachen. Sie müssen ausspannen,
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