0950 - Visionen des Untergangs
deinen eigenen Körper integrieren kannst, hast du den Krötensumpf mit Milliarden von Biestern geschaffen, um die eine Kröte mit deinem Herzen zu tarnen, deine dämonische Schwester sozusagen.«
Belzarasch beherrschte sich nur mühsam. »Woher weißt du… glaubst du das zu wissen?«
»Oh, weißt du, ich habe meine Spione überall in der Hölle. Einer hat zufälligerweise gesehen, wie du im Krötensumpf erschienen bist und im Schlamm liegend für einige Augenblicke eine ganz bestimmte Kröte an dich gedrückt hast. Seltsam, dachte ich, als ich davon erfahren habe, das muss sicher etwas zu bedeuten haben. Da es immer gut ist, alles über seine Feinde zu wissen, habe ich begonnen, in den Büchern und Aufzeichnungen nachzuforschen, die nur dem Ministerpräsidenten zugänglich sind. Und siehe da, in den geheimen Annalen der Hölle habe ich doch tatsächlich auch deine Entstehungsgeschichte gefunden, handschriftlich ergänzt von meinen Vorgängern. Da steht zudem, dass du von Zeit zu Zeit zu dem Herzen zurück musst, um es direkt zu berühren und es so zu bitten, dich weiterhin mit seiner Kraft zu versorgen.« Stygia schüttelte den Kopf. »Na so was aber auch. Was für eine dumme Einschränkung.«
Belzaraschs Augen funkelten voller Hass. »Und? Steht in deinen Aufzeichnungen auch, dass das Herz nur auf eine ganz bestimmte Art und Weise zu töten ist? Auf eine Weise, die garantiert niemand kennt? Und du schon gar nicht.«
»Aber ja doch. Das steht da tatsächlich.«
Die Faulige Monarchin schaute plötzlich triumphierend drein. »Mir ist klar, dass du meine Herzkröte in deiner Gewalt hast. Aber du wirst nichts damit anfangen können, Stygia. Nur wenn du das Herz töten kannst, kannst du mir gefährlich werden. Das schaffst du aber nicht.«
Satans Ministerpräsidentin lachte gellend. »Muss ich das wirklich, Faulige? Hast du nicht selber vorhin festgestellt, dass ich die unübertroffene Meisterin der Intrige bin? Schau her.«
Wieder zeichnete Stygia das Viereck in die Luft. Dieses Mal schälte sich jedoch die Ebene der ewigen Schreie aus dem Flimmern hervor. »Siehst du das, Faulige? Meine treue Tigora wartet mit deiner Herzkröte in der Nähe dieses lauschigen Plätzchens. Auf meinen Befehl hin wird sie die Kröte auf die Ebene werfen. Und zwar über den Punkt hinweg, ab dem es keine Wiederkehr mehr gibt. Dann hast du die Wahl zwischen Erzengeln und Heiligen: entweder zu sterben, weil du die Herzkröte nicht mehr erreichen kannst oder ewig mit ihr durch die Ebene zu wandern. Na, wie gefällt dir das?«
Wie zur Bestätigung trat Tigora hinter einem Felsen hervor und zeigte die Herzkröte.
»Oh, keine Angst, Faulige. Solltest du auf die Idee kommen, die Kröte zurückholen zu wollen, vergiss es. Du wirst Tigora nicht finden, dafür habe ich gesorgt.«
Belzarasch klappte nun vollkommen zusammen. Stygia sah, dass sie auf ganzer Linie gesiegt hatte. Sie verzichtete dieses Mal aber auf Triumphgeheul.
»Was willst du also?«, flüsterte die Faulige Monarchin.
»Nicht viel.«
***
Paris, 1964
Laurent Bonnart konnte sich nicht auf die Psychologie-Vorlesung im so üppig wie ein Schlosszimmer gestalteten Hörsaal Amphithéatre Richelieu konzentrieren. Immer wieder schweiften seine Blicke über das riesige Barockgemälde hinter dem Vorlese-Pult. Die nackten Körper, die dort in einem ganz und gar unschuldigen Zusammenhang zu sehen waren, lenkten seine Fantasie in eine völlig andere Richtung und setzten ihn unter Dauerstrom. Der junge, gut aussehende Mann mit den halblangen schwarzen Haaren, die durch einen Seitenscheitel so sauber getrennt wurden, wie sie am Kopf anlagen, fragte sich, warum er heute überhaupt hierher gekommen war. Dabei wusste er es ganz genau. Er wollte sich einfach noch einmal vergewissern, ob heute Abend alles klappte.
Die Zeit wollte einfach nicht vergehen!
Doch auch diese zwei Stunden waren irgendwann vorbei. Bonnart atmete erleichtert auf, kramte seine Unterlagen zusammen, ließ sie in der Aktentasche verschwinden und drückte sich als einer der Ersten aus dem Vorlesungssaal.
»He, Laurent, nun halt dich bloß ein bisschen zurück«, protestierte Michel, den er dabei rüde zur Seite schob. »Die Frau, die auf dich wartet, muss ja wirklich großartig sein.«
Ich bin mir sicher, dass sie das ist. Heute Nacht werd' ich sie endlich kriegen, endlich. Mann, jetzt warte ich auch schon lange genug darauf.
»Entschuldige«, murmelte Bonnart. »War keine Absicht. Die Frau ist männlich und heißt
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