0952 - Die Höhlen der Ringwelt
die große Höhle kamen. Sie erschienen durch mehrere Tore auf der anderen Seite der Halle. Viele von ihnen waren kleiner als Dexahn und besaßen eine hellere Körperfarbe. Wahrscheinlich waren sie erst kürzlich aus einem Ei geschlüpft.
„Für mich wird die nächste Zusammenkunft eine der letzten sein", verkündete Dexahn, und Sarder glaubte, einen traurigen Unterton aus seiner Stimme herauszuhören.
„Und danach?" wollte Sarder wissen.
„Danach werde ich einer jener sein, die nicht mehr über sich selbst nachdenken", sagte Dexahn.
Das war ein deutlicher’Hinweis auf die geistige Verfassung der Geflügelten. Die Antwort war allerdings in mehrfacher Hinsicht auslegbar.
„Du wirst dich also verpuppen?" wollte er wissen.
„Ja", bestätigte Dexahn. „Es ist ein unaufhaltsamer Prozeß in unserer körperlichen Entwicklung."
„Was weißt du über deine geflügelten Artgenossen? Verlieren sie ihre Intelligenz?"
„Keineswegs!" Dexahn machte einen entrüsteten Eindruck. „Lediglich ihre Einstellung zum Leben ändertsich. Ihr Selbsterhaltungstrieb erlischt fast völlig. Sie sind desinteressiert und gleichgültig."
„Das haben wir schon bemerkt", stimmte Sarder zu.
„Trotzdem sind sie weiser als wir." Der Buruhner schien Sarders Einwand nicht gehört zu haben. „Weiser und auf eine schwer erklärbare Art glücklicher. Sie beschäftigen sich mit Dingen, von denen wir nicht einmal etwas ahnen. Dann, kurz vor ihrem Tod, steigen sie durch einen Kamin zum Licht hinauf."
„Das heißt, sie verlassen diese Höhlenstadt?" mischte sich Kirdel ein.
„Ja!"
„Das möchte ich sehen!" sagte Kirdel neugierig.
„Warte die Zusammenkunft ab", vertröstete ihn Dexahn.
Inzwischen, so schätzte Sarder, drängten sich ein paar tausend raupenförmige Buruhner in der Halle. Sie begannen, mehrere kreisförmige Formationen um die leuchtende Säule zu bilden. In vorderster Front hielten sich jedoch einige geflügelte Höhlenbewohner auf. Ihre Flughäute wirkten schlaff und farblos, für Sarder ein deutliches Zeichen des Alters. Vermutlich waren es die Kandidaten für einen Aufstieg zur Außenwelt.
„Folgt mir!" forderte Dexahn die drei Raumfahrer auf.
Er führte sie bis zur Säule, wobei Dexahns Artgenossen Gassen bildeten, um die Besucher durchzulassen.
Dexahn rollte sich hinter der Formation der Geflügelten zusammen und forderte seine drei Begleiter auf, neben ihm Platz zu nehmen.
„Dieser geheimnisvolle Canjot war zweifellos der Diener von Armadan von Harpoon", flüsterte Sarder den beiden anderen Männern zu. „Der Ritter der Tiefe bezeichnete ihn als seinen Orbiter. Der Sinn dieses Begriffs ist uns klar. Demnach sind alle Orbiter, die den Menschen in der Galaxis zu schaffen machen, ebenfalls Bedienstete eines Ritters. Ich bin sicher, daß sie zu Armadan von Harpoon gehören."
„Dann müßte Armadan von Harpoon noch existieren!" warf Arx ein.
An diesem Punkt seiner Gedankenkette scheiterte Sarder immer wieder. Er hatte noch keine Erklärung für das Orbiter-Phänomen. gefunden. Er besaß einfach nicht genügend Informationen, um sich ein genaues Bild von den Zusammenhängen machen zu können.
Plötzlich wurde es still in der riesigen Halle. Kein Sonnenstrahl reichte noch bis in die Höhle hinab, dafür schien die Kristallsäule heller denn je zu strahlen. Die Buruhner hatten sich um dieses Zentrum versammelt.
„Löseht eure Scheinwerfer!" befahl Sarder seinen Begleitern.
Sie kamen seiner Aufforderung nach. Sein eigenes Licht hatte der Amateurarchäologe bereits ausgeschaltet. Von der Säule ausgehend, schien sich die Aura grünen Lichtes immer weiter auszudehnen und die gesamte Halle mit den in ihr versammelten Wesen zu erfassen. Sarder hatte das eigenartige Gefühl, von etwas Nichtstofflichem berührt zu werden. Er registrierte, daß Arx, der neben ihm stand, heftig zitterte. Die Augen der vielen hundert Raupen funkelten wie kleine Lichter.
Dann fuhr unerwartet ein Windstoß durch die Höhle. Sarder zuckte zusammen. Die Bö konnte nur aus einem der drei Kamine gekommen sein.
Gebannt sah Sarder zu, wie einer der alten Geflügelten dicht an die Säule herantrat. In der leuchtenden Aura wirkte sein Körper fast transparent. Sarder konnte sich seine Gefühle nicht erklären, aber der Anblick des Buruhners übermittelte ihm den Eindruck von tiefem Frieden und einer für einen Menschen kaum verständlichen Harmonie. Zum erstenmal sah Sarder in einem dieser Flugwesen kein stumpfsinniges Geschöpf, vielmehr
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