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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Pelham Parkway entfernt. Zweistöckige, freistehende Häuser aus rotem Backstein, mit kleinen, kurz geschorenen Vorgärten und hohen Freitreppen, die zur Eingangstür führten. Giebeldächer aus weiß gewordenem Schiefer, asphaltierte Straßen, wenig Verkehr. Letzteres war ein Segen, denn im Moment konnten Zandt und der Professor keine Passanten gebrauchen. Dafür war es zu gefährlich geworden.
    Zandt hatte darauf bestanden, persönlich bei den Watumbi vorstellig zu werden, und Zamorra hatte ihn begleitet. Doch als sie die erste der von Sanders ermittelten Adressen erreicht hatten und aus dem Dienstwagen des Lieutenants ausgestiegen waren, flogen ihnen schon die ersten Kugeln entgegen. Seitdem kauerten sie hinter dem Container, der am Straßenrand stand und ihnen somit das Leben rettete. Bisher.
    Der Schütze, soviel konnte Zamorra ausmachen, stand am offenen Fenster im Erdgeschoss des kleinen Einfamilienhauses. Dicke Gardinen verbargen ihn vor neugierigen Blicken, doch der Lauf seiner Schrotflinte glitzerte dafür umso deutlicher im Sonnenlicht. Aus dem Haus drang eigenartiger Gesang auf die Straße, der durchaus indianischen Charakters sein konnte. Er klang nahezu rituell.
    »NYPD!«, versuchte es Zandt erneut mit Lautstärke und Drohungen. »Stellen Sie sofort das Feuer ein und kommen Sie mit erhobenen Händen raus!«
    Statt einer Antwort prallten abermals Kugeln gegen die Front des Müllbehälters. »Niemals«, rief eine Stimme danach. »Wir lassen uns nicht beschuldigen! Sagen Sie das Ihren Handlangern!«
    Beschuldigen? Zamorra zögerte. Konnte es sein, dass… »Lieutenant, ich glaube, der befürchtet, wir seien gekommen, ihn wegen dieser Kring-Sache zu verhaften.« Die ganze Mordsgeschichte war seit dem frühen Morgen das Thema in allen lokalen und überregionalen Medien. Mittlerweile wusste wahrscheinlich jeder US-Amerikaner, was geschehen war - und die sensationsgierige Presse scheute sich nicht, die Zombie-Thematik als Aufhänger ihrer Berichte zu nehmen.
    »Wir sind nicht wegen Kring gekommen«, brüllte Zandt dem verborgenen Angreifer entgegen. »Wir wollen Ihre Sicht der Dinge hören, keine Verhaftung durchführen.« Er grunzte. »Und das war eine Lüge«, fügte er deutlich leiser hinzu.
    Stille kehrte ein. Zamorra sah, wie die Nachbarn Schutz suchend Jalousien hinunterzogen und ihre Hunde ins Haus winkten. In der Ferne erklang das Jaulen mehrerer Polizeisirenen.
    »Keine Verhaftung?«, wiederholte der Unbekannte mit der Flinte. »Nur reden?«
    »Absolut«, log Zandt abermals. »Wir brauchen Ihre Hilfe, Sir.«
    Es dauerte noch knapp eine Minute, bis der Mann nachgab. Die Flinte nach wie vor im Anschlag und auf seine unangemeldeten Gäste gerichtet, erschien er dann auf der Schwelle seiner Haustür, schob das Fliegengitter beiseite und nickte den hinter dem Container kauernden Männern zu. »Kommen Sie rein«, sagte er. »Aber ganz langsam. Und keine Tricks, klar?«
    ***
    Das Innere des Hauses glich einem Museum, das man auf einer Müllhalde errichtet hatte und dessen Kurator im Lexikon unter dem Begriff Messie-Syndrom geführt werden musste. Die Luft roch süßlich, als verbrenne irgendjemand irgendwo Kräuter. Die seltsame Musik, die schon von draußen zu hören gewesen war, war hier lauter, drängender. Sie hatte etwas Einlullendes, Betäubendes, das Zamorra ganz und gar nicht behagte.
    Genauso wenig wie der Lauf der Flinte vor seiner Brust.
    Abfall, wohin das Auge blickte. Berge von leeren Schachteln, Papierstapel, kinderfaustgroße Staubflusen, abgewetzte Möbel. Doch an den Wänden und in den Regalen fanden sich beeindruckende Schätze. Während er mit erhobenen Händen näher trat und sich durch den schmalen Flur ins Wohnzimmer begab, betrachtete der Dämonenjäger die Bilder und Gegenstände. Hier standen beeindruckende Relikte aus vergangenen Tagen - Federschmuck, Beile, geschnitzte Pfeifen und aufwendig verzierte Lederriemen -, dort hingen Urkunden und Fotografien hinter Glas, vergilbt und alt, aber sichtlich bedeutsam. Zumindest für die Bewohner dieses Hauses.
    Einer davon stand vor ihm und richtete seine Flinte auf seine Besucher. »Okay, reden Sie.« Es war ein schmächtiger Geselle, kaum schwerer als fünfzig Kilo. Dunklere Haut, gescheiteltes schwarzes Haar und ein faltiges Gesicht. Zamorra schätzte ihn auf Mitte Vierzig, ahnte aber, dass diese Vermutung genauso gut vollkommen falsch sein konnte.
    Zandt grunzte ungehalten. Seine Waffe lag längst auf dem mit allerlei Unrat übersäten

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