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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Tisch, wie der Mann es verlangt hatte. »Stecken Sie endlich das Ding weg. Wir wollen doch nichts.«
    »Hah!«, machte der Fremde. »Das sagen alle. Auch die, die hier zu nachtschlafender Zeit anrufen oder andere Frechheiten machen. Heute Morgen habe ich ein brennendes Holzkreuz in meinem Vorgarten gefunden. Ein brennendes Holzkreuz! Kommen Sie mir nicht mit ›friedlichen Absichten‹, ja? Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen.«
    Zamorra begriff. »Die Presse.«
    »Seit die New York Post auf die Objekte im Sarg dieses Krings hinwies, können wir uns hier kaum noch retten«, sagte der Mann und bestätigte so seine Vermutung. »Alle Welt scheint zu glauben, dass wir hinter dieser Angelegenheit stecken.« Er schnaubte. »Dabei haben die Watumbi seit über einem Jahrhundert keinerlei derartige Rituale mehr durchgeführt. Das ist alles aktenkundig, aber von den Spinnern da draußen fragt ja niemand nach den Fakten. Die urteilen lieber selbst. Und zwar vorschnell.«
    »Dann sind Sie ein Watumbi?«, fuhr der Professor fort, da Zandt schwieg.
    »Clay Taima«, stellte der Bewaffnete sich vor. »Letzter Chief des letzten Stammes meiner einstmals so stolzen, großen Gemeinschaft.«
    Zamorra nickte. Sanders hatte angedeutet, dass es kaum noch lebende Vertreter dieser Sekte gab. »Und Sie sind hier ganz allein?«
    »Hab meine Familie vor zwei Stunden in den Bus nach Baltimore gesetzt. Aus der Stadt geschafft, bis hier wieder Normalität einkehrt. Zur Sicherheit.« Er schüttelte den Kopf. »Abgesehen von uns gibt es noch zwei Watumbi-Familien in Queens und einen alten Schamanen in Fairview. Das war's dann aber. Insgesamt zehn Personen. Glauben Sie wirklich, wir würden einen derartigen Aufwand betreiben? Wofür denn?«
    Der Professor verstand den Indianer-Nachfahren nur zu gut. Eine Stadt in Angst suchte schnell nach Schuldigen, und wenn die mediale Berichterstattung auf die Watumbi als Wurzel allen Übels verwies, war es nicht verwunderlich, dass diese schnell den Hass der Masse zu spüren bekamen. »Mr. Taima, wir wissen, dass Sie und Ihre Glaubensgemeinschaft nicht hinter den Geschehnissen stecken.«
    »Ach ja? Und woher dieser Sinneswandel? Alle anderen scheinen davon überzeugt zu sein!«
    Zandt sah ihn an. »Weil der Zombie keiner war. Sondern ein maskierter Schauspieler.«
    Taima stutzte, ließ die Flinte sinken. »Im Ernst?«
    »Im Ernst. Kein Hokuspokus weit und breit. Hier geht es um ein Verbrechen, nicht um Magie.«
    Zehn Minuten später hatte sich die Lage deutlich entspannt. Zamorra, der Watumbi-Chief und Zandt saßen auf der Treppe vor dem Haus wie alte Bekannte, ohne Waffen. Die Cops, die Zamorra zur Verstärkung gerufen hatte, waren wieder verschwunden, und auf Fürsprache des Professors hatte der Lieutenant sogar davon abgesehen, Taima wegen Schießens auf einen Polizeibeamten zu belangen. Unter den Umständen, fand der Dämonenjäger, war ein wenig Nachsicht durchaus angebracht.
    Und sie machte sich bezahlt, denn was Taima ihnen zu erzählen hatte, übertraf ihre kühnsten Erwartungen.
    »Eigentlich fing's schon vor Monaten an«, sagte der Watumbi. »Sobald bekannt wurde, dass die Stadt auf unserem Grundstück in Manhattan bauen wollte. Die New Yorker mögen weltoffener als viele ihrer Landsleute sein, aber wenn's um Ground Zero geht, hat es sich was mit der Toleranz. Die Moslems bekamen das zu spüren, die Amish, wir. Im Prinzip jeder, der Räume in dem neuen Gebets- und Begegnungshaus am Park Plaza beziehen würde, wurde mit Kritik und Ablehnung gestraft.«
    Nicht zuletzt, weil Leute wie Champlain immer wieder Öl in dieses Feuer gossen , dachte Zamorra. Negative PR war eine weit stärkere Waffe, als es Fakten je sein konnten.
    »Bis dahin hatten wir unsere Ruhe gehabt«, fuhr Taima fort. »Abgesehen von diesem Winston natürlich.«
    »Winston?«, hakte Zandt nach.
    Während der nächsten Minuten berichtete Taima ihnen von einem Mann, auf dessen Initiative wahrscheinlich die meisten der gegen die Watumbi geführten Angriffe der vergangenen Tage zurückgingen. J. Cameron Winston hatte selbst Interesse am Grundstück von 51 Park Plaza besessen und seine beträchtliche Macht in City Hall und den halbseideneren Gegenden der Stadt in den Ring geworfen, um es den Indianern abzuluchsen. Vergebens.
    Zumindest bisher.
    Zamorra hatte noch viele Fragen an den so eigenartigen Chief, doch ein Ruf aus Zandts Funkgerät hinderte ihn daran, sie zu stellen. Denn das, was er dort zu hören bekam, übertraf seine

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