096 - Der grüne Leichnam
langsam. Er versuchte die düsteren Gedanken zu verdrängen, was ihm aber nur sehr schwer gelang. Doch nach einer halben Stunde, die sie mit eher belanglosem Geplauder verbracht hatten, entspannte er etwas.
Auch Cocos Ruhe war nur gespielt. Immer wieder dachte sie an die Faust-Prophezeiung. Könnten vielleicht die dunklen Mächte Gewalt über sie bekommen und sie zwingen, Dorian zu töten? Sie mußte vorsichtig sein.
Coco gab sich nicht der Hoffnung hin, daß sie Dorian umstimmen konnte. Er würde sie verlassen. Vielleicht konnte sie den Abschied hinauszögern, doch irgendwann würde er gehen. Möglicherweise würde sie ihn tatsächlich niemals mehr wiedersehen.
Langsam entwickelte sie einen Plan, wie sie Dorian untrennbar mit sich verbinden konnte. Dazu waren einige Vorbereitungen notwendig, die sie traf, als Dorian ins Badezimmer ging. Danach schlüpfte sie aus ihrem Hausanzug und kroch ins Bett.
Dorian trat ins Schlafzimmer. Um seinen Hals baumelte der Ys-Spiegel. Für Cocos Plan war es wichtig, daß Dorian den Spiegel ablegte.
Der Dämonenkiller lächelte, drehte die Deckenbeleuchtung ab und ging zum Bett.
Coco lag auf dem Bett. Der matte Schein der kleinen Nachttischlampe zauberte geheimnisvolle Schatten auf ihren schönen Körper. Ihre Brust hob sich rascher.
Dorians Verlangen erwachte. Es war schon endlos lange her, seit er mit Coco eine Nacht verbracht hatte. Sein Mund wurde trocken. Je länger er sie ansah, um so schmerzhafter wurde ihm bewußt, was er aufzugeben im Begriff war.
Er legte sich neben Coco und schlang einen Arm um ihren Körper. Willig kam sie näher. Er küßte sie hungrig. Doch der große Spiegel störte. Schwer lag er auf Cocos Brüsten.
„Kannst du den Spiegel nicht für einige Zeit ablegen?" flüsterte Coco zwischen zwei Küssen.
„Für kurze Zeit schon", sagte Dorian.
„Nimm ihn bitte ab!"
Der Dämonenkiller setzte sich auf und legte den Spiegel auf das Nachtkästchen.
Dorian fühlte sich schwach. Er hatte sich schon zu lange vom Spiegel getrennt und streckte die rechte Hand danach aus. Doch bevor er den Spiegel berührte, griff Coco ein.
Gern tue ich es nicht, dachte Coco, aber es ist die einzige Möglichkeit, die mir bleibt.
Sie mobilisierte ihre magischen Kräfte. Der Dämonenkiller lag wie gelähmt im Bett. Seine Augen waren weit geöffnet, doch sie sahen nichts. Die Zeit schien für ihn stehenzubleiben.
Coco sprang aus dem Bett. So rasch sie konnte, richtete sie alles zur Beschwörung her. Es blieb ihr nicht viel Zeit; sie wußte ganz genau, daß sich Dorian nicht lange von dem Ys-Spiegel trennen konnte.
Die ehemalige Hexe der Schwarzen Familie zog eine Wachsfigur aus einer Lade und legte sie neben Dorian aufs Bett. Sie riß Dorian einige Haare aus und steckte sie in die Wachspuppe, dann stimmte sie einen leisen Singsang an, der immer lauter wurde. Schließlich sprach sie einige Beschwörungsformeln, wobei sie eine Hand auf die Puppe und die andere auf Dorians Herz legte. Sie konzentrierte sich so stark, daß ihr der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief. Ein leichtes Zittern durchlief ihren Körper. Schwankend stand sie auf, beugte sich über Dorian und lächelte zufrieden, als sie das winzige Hexenmal über Dorians Herzen sah. Die Beschwörung hatte geklappt. Der Zauber würde erst nach einigen Monaten wirksam werden. Wenn Dorian innerhalb dieser Zeitspanne nicht zu ihr zurückkehrte, würde ihn dieser Zauber zu ihr treiben. Er würde sich gegen diesen Zwang nicht auflehnen können. Das war ihre Rückversicherung.
Coco warf die Puppe zurück in die Lade und hob den Zeitraffereffekt auf, nachdem sie sich den Schweiß abgewischt hatte und wieder neben Dorian lag.
Der Dämonenkiller hatte von dem allen nichts wahrgenommen. Er fühlte sich nur entsetzlich müde. Dorian hing sich den Spiegel um den Hals und fühlte sich augenblicklich wohler. Sekunden später war er eingeschlafen.
Coco löschte das Licht, drehte sich auf den Rücken und dachte noch lange nach.
Ich wachte kurz nach neun Uhr auf. Regen trommelte gegen die Scheiben, und es war dunkel im Zimmer. Brummend wälzte ich mich auf die Seite. Das Bett war leer. Coco war schon aufgestanden. Langsam streckte ich eine Hand aus. Das Bettlaken war kalt. Sie mußte schon länger auf sein. Ich wälzte mich auf den Rücken und blieb entspannt liegen.
Das Zusammensein mit Coco hatte ich genossen, ja, ich konnte mich nicht erinnern, daß es je schöner gewesen war. Ich lächelte leicht, doch das Lächeln
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