0960 - In den Nebeln
vergessen, was du getan hast.«
Lea fiel auf, dass seine Worte so gewählt waren, dass sowohl ihre Hilfe gemeint sein konnte als auch die Tatsache, dass sie ihn festgehalten hatte. Sie würde aufpassen müssen. Sie durfte den Erzdämon als Gegner nicht unterschätzen. »Das ist ein sehr großzügiges Angebot, Asmodis«, erwiderte sie vorsichtig. »Es ehrt mich, dass du so denkst.«
Doch sie war sicher, dass ihr Plan funktionieren würde. Schon die Tatsache, dass die beiden ehemaligen Höllenfürsten ihr soweit vertrauten, dass sie ihr folgten, bewies das. Dein Misstrauen schwindet, Asmodis, und deine Aufmerksamkeit wird immer mehr abgelenkt, je näher wir der Quelle kommen. Offenbar bist selbst du nicht gegen die magischen Auswirkungen des Nebels immun. Vermutlich seid ihr beide sogar schon infiziert und werdet immer schwächer, was mir nur entgegenkommt.
Sie war sich nicht sicher gewesen, dass der Nebel die beiden mächtigen Wesen beeinflussen würde, so wie es bei niederen Dämonen und Menschen der Fall war. Sie selbst war vor den negativen und am Ende sogar tödlichen Auswirkungen gefeit, da sie zwar ebenso wie andere Dämonen körperlich war, jedoch nie lange dieselbe Form behielt. Aus diesem Grund konnte sie sich ungehindert im Nebel bewegen und wurde auch nicht von den Pflanzen angegriffen. Als sie den Nebel vor einiger Zeit entdeckt und in ihm Zuflucht gesucht hatte, war ihr das noch nicht klar gewesen, aber nachdem sie beobachtet hatte, wie andere Dämonen von den Pflanzen attackiert wurden und elendig zugrunde gingen, war ihr bewusst geworden, dass etwas an ihr anders sein musste. Da sie ebenso aus der Hölle stammte wie all die anderen und auch durch ihre Adern dämonisches Blut floss, konnte es nur an ihrer Fähigkeit liegen, die Gestalt zu ändern. Um ganz sicher zu gehen, drang sie schließlich immer weiter ins Zentrum der geheimnisvollen Macht vor. Eines Tages hatte sie schließlich die Quelle erreicht, die diesen Nebel geschaffen hatte. Auch dort blieb sie unversehrt, und diese Tatsache verlieh ihr mit einem Mal mehr Macht, als sie sich jemals auch nur erträumt hatte. Das war die Chance ihres Lebens gewesen: Sie verkündete den anderen Dämonen, dass sie nun ihre Herrscherin sei. Zuerst gab es natürlich Proteste. Doch sie forderte jeden, der ihre Macht anzweifelte, heraus, sich mit ihr in den Nebel zu begeben. Einige der stärkeren Wesen taten es. Und als stets nur sie allein zurückkehrte und man von den anderen nie wieder etwas hörte oder sah, bekamen es die vor dem Nebel verbliebenen Dämonen mit der Angst zu tun. Und wie es die meisten Dämonen taten, wenn sie an ein mächtigeres Wesen gerieten, ordneten sie sich unter. Sie krochen vor ihr im Staub und flehten sie an, sie zu verschonen.
In diesem Moment hatte Lea erkannt, was wahre Macht bedeuten konnte und war der Sucht, die dieses Gefühl auslöste, verfallen. Sie wollte immer mehr und herrschte grausam und blutig über die Dämonen, die sie fürchteten, ohne zu merken, dass sie zu dem geworden war, was sie selbst einst gefürchtet hatte: eine willkürliche, unersättliche Herrscherin. Diejenigen, die ihr nicht folgen wollten, vernichtete sie umgehend, denn sie duldete keinen Ungehorsam.
Doch sie war sich dieses Mal nicht sicher gewesen, dass sie sich auf die Macht des Nebels verlassen konnte.
Weder Asmodis noch Fu Long hatten bisher Anzeichen dafür gezeigt, dass die Magie irgendeine Wirkung auf sie hatte. Beide waren sehr mächtig, und Asmodis konnte als Erzdämon sicher auch viele unterschiedliche Gestalten annehmen, wenn er es wollte. Daher hatte sie befürchtet, dass ihr Trick dieses Mal nicht funktionieren könnte. Aber zu ihrer Freude zeigte Asmodis erste Anzeichen dafür, dass ihn die Magie beeinflusste. Er selbst merkte sicher noch nichts, doch sie wusste, worauf sie achten musste. Als sie sich kurz zu Fu Long umdrehte, wirkte auch dieser unkonzentrierter und erschöpfter als zuvor. Sie lächelte.
»Was ist so amüsant, Lea?«, fragte der Vampir.
»Ach, ich wundere mich nur, wie ihr zwei aneinandergeraten seid. Ihr müsst schon zugeben, dass ihr ein recht ungewöhnliches Team abgebt.«
»Da hast du wohl recht«, murmelte Fu Long.
»Ich brauchte eben noch einen Gehilfen, und Fu Long ist wesentlich verlässlicher als die meisten anderen meiner Bekannten, die zu so einem Unterfangen in der Lage gewesen wären«, erklärte Asmodis.
»Sollte das etwa ein Kompliment sein?«, fragte Fu Long. »Falls ja, dann sind Komplimente nicht
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