0961 - Der Fluch des Kobolds
schon einige dunkle Flecken aufwies.
Eine Treppe entdeckte Jane nicht. Von Muriel erfuhr sie, daß dieses alte Haus nur einen Spitzboden hatte, der mit Gerumpel vollgestopft war.
»Und wo steckt Mrs. Kilrain?«
»Das weiß ich nicht.« Muriel schaute sich um. »Eigentlich schläft sie um diese Zeit.«
»Ich sehe kein Bett.«
»Moment.« Muriel ging am Ofen vorbei in eine dunkle Ecke. Dort blieb sie stehen und winkte der Detektivin zu.
Sehr bald sah auch Jane das alte Metallbett. Es war sogar so breit, daß es zwei Personen Platz bot. Jane konnte sich vorstellen, daß die Kilrains früher hier geschlafen hatten.
Mrs. Kilrain lag auf dem Rücken. Die Augen hatte sie geschlossen, die Hände übereinandergelegt. Sie ruhten auf der dunklen Strickjacke, die sogar zugeknöpft war.
»Sie ist doch nicht tot - oder?« hauchte Muriel. »Nein.«
Die Lehrerin atmete tief aus. »Ich hatte schon Angst, daß sie es in ihrem Alter nicht schafft.«
»Nein, hier herrschen andere Gesetze, glaub es mir.« Jane richtete sich wieder auf. »Eigentlich haben wir hier nichts mehr zu suchen. Wir schauen uns das nächste Haus an.«
Mit der rechten Hand hielt Muriel die Freundin fest. »Warum willst du das tun? Was bringt dir das?«
»Wir sind zumindest beschäftigt.«
»Da hast du auch recht.« Sie drehte sich von Jane weg, um wieder in die Mitte des Zimmers zu gehen. Jane blieb noch einen Moment stehen.
Irgend etwas gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Nicht daß es hier zu dunkel gewesen wäre, nein, es war etwas anderes, das sie störte, und sie dachte sofort an eine Gefahr.
Es war ärgerlich, daß sie keine Taschenlampe bei sich trug. Das Gefühl, in eine Falle gelaufen zu ein, verdichtete sich immer mehr. Im Stehen schaute sich Jane um. Sie suchte nach irgendwelchen Bewegungen in der Dunkelheit, horchte nach fremden Geräuschen, aber da war einfach nichts. Nur Muriel meldete sich.
»Willst du nicht kommen?«
»Ja, sofort, ich…« Sie verstummte. Etwas war hinter ihr, als wäre es unter dem Bett hervorgekrochen.
Jane drehte sich.
Zu spät.
Vom Boden her flog ihr jemand oder etwas entgegen. Eine kompakte Masse, die Jane zunächst nicht erkennen konnte. Aus dieser Masse lösten sich zwei lange Arme mit krallenartigen Händen, die sich blitzartig zu Fäusten ballten.
Eine schoß auf Janes Kopf zu.
Sie kam nicht mehr dazu, einen Warnruf auszustoßen, denn etwas traf mit brutaler Wucht ihre Stirn. Jane sah die berühmten Sterne aufblitzen, und sie merkte, wie der Boden einfach unter ihr wegschwamm. Dann kippte sie zur Seite und hatte Glück, weil sie quer auf das Bett fiel, genau auf die Beine der Mrs. Kilrain, die diesen Aufprall nur durch ein kurzes Zusammenzucken registrierte.
Aber davon merkte Jane Collins nichts mehr…
***
Muriel war nervös. Bisher hatte sie sich gut gehalten, aber plötzlich spürte sie die große Glocke über ihrem Kopf, die sich immer weiter nach unten senkte, als wollte sie alles umschließen, die Frau eingeschlossen.
Es war gut für sie, nicht allein zu sein. Sie freute sich über Janes Nähe, und wenn sie ehrlich war, dann konnte man die Frau nur bewundern, denn allein wäre Muriel längst durchgedreht.
Zwar befand sich Jane mit ihr in einem Raum, aber nicht in der direkten Nähe, und deshalb hatte sie Jane Collins gebeten, doch zu ihr zu kommen.
Jane hatte ihr eine halbe Antwort gegeben.
Dann nichts mehr.
Aber es blieb auch nicht still. Aus der düsteren Ecke, wo das Bett stand und sich auch Jane Collins aufhielt, drangen Geräusche, mit denen Muriel nicht zurechtkam. Sie mußte sich aber eingestehen, daß sie ihr Angst einjagten. Sie hörte auch einen dumpfen Aufprall, dann sah sie, wie sich etwas in der Dunkelheit bewegte und zur Seite kippte.
Das konnte nur Jane sein.
Panik sprang in ihr hoch. Schlimmer als Angst. Muriel wußte nicht, was sie noch tun sollte. In diesem fremden Haus kam sie sich plötzlich so allein vor. Sie wollte auch nicht nach draußen rennen, denn dort lauerten die unheimlichen Flugdracheri.
So blieb sie zitternd stehen und wagte es auch nicht, Janes Namen zu rufen. Sie fürchtete sich. Etwas schnürte ihr die Kehle zu, und der Raum zwischen Kehle und Magen kam ihr wie vollgestopft vor.
Dann hörte sie das Kratzen.
Ein furchtbares Geräusch in der herrschenden Still, denn es erinnerte sie wieder an die alten Geschichten, die man sich in Beragh erzählt hatte.
Vor allen Dingen fiel ihr eine bestimmte ein, wo jemand als Scheintoter in einen Sarg gelegt und
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