0964 - Königin der Toten
wir haben zumindest ein überschaubares Umfeld.«
»Daran dachte ich auch schon.«
Plötzlich überkam mich das Wissen, daß wir zu spät zu einem Entschluß gekommen waren. Zwar veränderte sich die Welt um uns herum noch nicht, alles blieb gleich, aber wohl nicht mehr lange.
Und ich war mir sicher, bereits erste Anzeichen von dem Umbruch zu spüren.
Ich wollte auch Suko darauf aufmerksam machen und zu Iris hinlaufen, als es passierte.
Genau dort, wo die Frau stand, brach blitzartig der Boden auf. Vier, fünf oder sechs Klauen drangen zugleich aus der Tiefe hervor und hatten im Nu Iris' Beine umklammert.
Sie war so geschockt, daß sie es nicht einmal schaffte, einen Schrei auszustoßen. Plötzlich steckte sie in der Klemme. Sie war zu Eis geworden, aber der Bann brach, als ihr plötzlich bewußt wurde, wer sie da festgehalten hatte.
Ihr Schrei drang hinein in die Leere des Landes, und er war auch für uns so etwas wie eine Alarmsirene.
Aber wir konnten nichts tun, obwohl wir schnell hatten sein wollen. Ich merkte, wie ich einsackte, nach hinten kippte und Sukos Fluch meine Ohren erreichte.
Noch in derselben Sekunde umklammerten die fleischlosen Hände meine Beine…
***
Es war die perfekte Falle, in der Iris, Suko und ich steckten. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hatten sich die Kreaturen nicht gezeigt und sich versteckt gehalten. Dann aber, als sie wußten, daß wir uns weit genug von der Pyramide entfernt hatten, griffen sie ein.
Eine Chance, mich auf den Beinen zu halten, bekam ich nicht. Ich flog nach hinten, prallte auf und hatte den Kopf zum Glück nach vorn gedrückt, so daß ich nicht gegen den harten Untergrund stieß.
Ich dachte weniger an mich, dafür mehr an Iris Jarrel, doch nur kurz, denn ich mußte jetzt auch an mein Überleben denken. In der unmittelbaren Umgebung bewegte sich der Boden. Löcher entstanden. Sie waren groß genug, um die Gestalten aus der Erde kriechen zu lassen.
Das waren sie. Das waren die Toten. Die lebenden Leichen. Die Zombies aus Atlantis, wie auch immer. Vor meinen Augen drückten sie sich hoch. Einige sehr langsam, andere wiederum schnell, und ich schaute in unbeschreiblich schreckliche Fratzen, aus denen die meiste Haut verschwunden war. Nur Reste wie Lappen an dem grauen Gebein. Manche Augenhöhlen waren nicht leer. Da schwamm eine gelbe, puddingartige Masse, und aus halb zerfransten Mäulern schlugen Zungen wie graue Gürtelenden.
Waren es drei oder vier Angreifer?
Es gelang mir kaum, sie zu zählen, aber an den Füßen öffnete sich der Boden abermals und zwei neue Gestalten erschienen, deren Klauen sich an meinen Gelenken festklammerten.
Es wurde kritisch.
Ich glaubte, mich keuchen zu hören, aber diese Geräusche stammten schon von einem anderen.
Suko stieß sie aus. Er befand sich in der gleichen Lage wie ich.
Der Plan stand fest.
Die Zombies waren aus der Tiefe an die Oberfläche gestoßen, um uns in ihre Welt zu holen.
Wenn das geschah, war es aus…
***
Einmal nur hatte Iris geschrieen. Dann war alles anders, denn ihre Stimme versagte plötzlich. Nicht mehr als ein dumpfes Röcheln drang aus ihrem Hals, als hätte man ihr Sand in den offenen Mund gestopft. Noch konnte sie auf den Beinen stehen, obwohl die Gestalten wie Kletten an ihr hingen.
Sie starrte nach unten und mußte zwangsläufig in furchtbare Gesichter sehen, die sie noch nicht mal aus Horrorfilmen kannte.
Offene Mäuler. Halbverweste Schädel. Stinkende Hautlappen, und durch ihren Kopf schoß permanent ein Begriff, den sie einfach nicht loswerden konnte.
Die Königin der Toten! Ich bin die Königin der Toten! Sie halten ihr Versprechen, sie holen mich.
Iris spürte einen Ruck.
Diesmal löste sich ein jammernder Laut aus ihrem Mund. Urplötzlich steckte sie bis zu den Knien in der verfluchten Graberde. Sie kam einfach nicht mehr los, obwohl sie es mit einem Gegendruck versuchte und auch verzweifelt mit den Armen ruderte.
Die andere Kraft war stärker. Sie zog die Frau erbarmungslos in den Boden. Aus eigener Kraft konnte sie es nicht mehr schaffen, sich zu befreien, und das Wissen, sehr bald elendig zu ersticken, bereitete ihr schon jetzt eine nie gekannte Angst.
Durch das Wegsacken in den jetzt weich gewordenen Boden veränderte sich auch ihr Blickfeld. Der Untergrund war ihren Augen näher, und sie konnte sehen, wie die beiden Männer verzweifelt um ihr Leben kämpften. Sie hatte so auf Suko und John gehofft, aber wie es aussah, würden die es nicht schaffen.
Sie hatten
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