0964 - Königin der Toten
breites Maul, es ließ das Licht in die Pyramide fließen. Wir nahmen die Gelegenheit wahr, um tief Luft zu holen, wobei wir uns schon auf dem Weg ins Freie befanden. Weicher und dichter Rasen machte den Untergrund zu einem Teppich. Nichts hatte diese Umgebung mit der gemein, die wir hinter uns gelassen hatten.
»Wie geht es weiter?« fragte Suko.
Ich deutete auf das Blockhaus. »Wir müssen zu Kara. Ich hoffe nur, daß sie ihren Zustand noch hat halten können.«
Das allerdings sah nicht so aus. Es gab keine Veränderung. Der Eiserne Engel lag auch weiterhin auf der Schwelle zwischen den beiden Räumen. Er rührte sich ebenfalls nicht, und die Schöne aus dem Totenreich lag ebenfalls in der gleichen Haltung auf dem Bett.
Trotzdem fiel mir an ihr eine Veränderung auf. Die Augen hielt sie weit geöffnet, und der Mund hatte sich zu einem Lächeln verzogen, als sie uns anschaute.
»Wir sind da«, sagte ich mit kratziger Stimme.
»Es ist gut«, flüsterte sie. »Ich kann mich nicht bewegen, der Fluch des Alten hat uns getroffen. Ich werde euch erzählen müssen, wie alles kam und was ihr tun müßt, um ihn vielleicht stoppen zu können. Falls es nicht schon zu spät ist, denn die Verbindung zwischen der Vergangenheit und eurer Gegenwart steht bereit. Also hört zu…«
***
Es durfte einfach nicht wahr sein, und es war trotzdem eine Tatsache, die Jane Collins in allen Einzelheiten mitbekam. Der Spiegel und seine Umgebung hatten sich verändert. In der Wand war eine große Öffnung entstanden, die Jane den Blick in eine Welt freigab, die sie als abscheulich einstufte.
Durch eine runde, torähnliche Öffnung schaute sie in eine bräunlichschwarze Düsternis, in der sich die Gestalten bewegte, die auf der normalen Erde nichts zu suchen hatten. Noch konnte sie keine Einzelheiten erkennen, es waren Monstren, schreckliche Kreaturen, die da im Hintergrund zusammenstanden und eine Reihe bildeten.
Davor sah sie genau die Gestalt, von der auch Sir James gesprochen hatte.
Der Vergleich mit einem Sumpfmonster stimmte irgendwo, denn dieses Wesen sah aus, als wäre es aus einem Moor gestiegen. Es hatte einen Körper, einen Kopf, aber abgesehen von den Augen keine weiteren Merkmale im Gesicht. Die Augen bildeten zwei Punkte. Helles, kaltes Licht füllte sie aus; Pupillen waren nicht vorhanden.
Noch hielten sie sich im Hintergrund, aber sie hatten allein durch ihren Geruch einen ersten Gruß abgeschickt. Eine nach alten Leichen stinkende Wolke wehte in Janes Gesicht und ließ Übelkeit in ihr hochsteigen.
Sie atmete nur mehr flach durch die Nase, aber der Belästigung konnte sie sich natürlich nicht entziehen.
Ihr Blick glitt nicht nur gegen die Gestalten, sondern auch hinein in die Unendlichkeit. In ihr war Iris Jarrel verschwunden, mit deren Rückkehr wohl niemand rechnen konnte, aber das war ein Irrtum.
Es gab sie noch!
Auch Jane wollte es zunächst nicht glauben. Und der Anführer hatte sich auch erst zur Seite bewegen müssen, um ihr dieses Bild zu zeigen, aber sie täuschte sich nicht.
Das war Iris.
Das mußte sie sein, auch wenn Jane sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie war ihr flüchtig beschrieben worden. Eine junge Frau mit blonden Haaren.
Jane stand vor der Meute. Sie war nur spärlich bekleidet. Dünne, durchsichtige Stoffetzen klebten an ihrem Körper und ließen alles erkennen.
Dafür hatte Jane keinen Blick, denn Jane schob sich näher an die Öffnung heran, und die schreckliche Meute folgte ihr. Jane konzentrierte sich dabei auf ihr Gesicht. Unter Umständen konnte sie erkennen, in welch einer Verfassung sich die junge Frau befand. Das war leider nicht möglich. Das Gesicht hatte sich zwar nicht verändert, aber dieser menschliche Ausdruck war zu einer Maske geworden. Denn nicht die Spur von Erkennen, Erstaunen oder Gefühl las sie darin ab.
Lebte sie noch?
Auf eine gewisse Art und Weise schon, aber Jane Collins hatte oft genug mit Zombies zu tun gehabt, um zu wissen, wie diese Gestalten aussahen.
Iris Jarrel ähnelte ihnen. Sie war zu einer Figur geworden. Eben zu einem Zombie. Die lebende Leiche, die nach anderen Gesetzen existierte als Menschen.
Von so etwas konnte man nur alpträumen, und auch Jane merkte, wie sich ihr Magen zusammenzog.
Iris wußte, welchen Weg sie zu nehmen hatte. Sie wich nicht davon ab. Lautlos näherte sie sich dem runden Ausgang. Bald hatte sie ihre Dimension verlassen und brachte das Grauen in die normale Welt.
Jane wartete noch. Ihre Gedanken überschlugen sich.
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