097 - Die Todestür
erklang, das gewiß nicht von dem verbrennenden Untoten stammte.
Ich zog Coco aus dem Verlies. Wir warteten, bis der größte Teil des Rauches abgezogen war. Dann stiegen wir über die glimmenden Überreste des Viscount Edward hinweg und betraten den Geheimgang.
Nach wenigen Metern schon machte er einen scharfen Knick. Dann standen wir vor der Tür mit dem Löwenknopf. Er war aus Bronze gegossen und sah aus, als sei er neu und lebendig. Der schwere Ring des Türklopfers hatte die Maserung eines geflochtenen Seiles, und ein kleiner Bestienkopf aus Bronze befand sich an diesem Ring.
Ich spürte eisige Kälte. Cocos Hand verkrallte sich in meinem linken Arm.
„Hinter dieser Tür", sagte sie.
Die Tür war verschlossen. Ich ging, um Werkzeug zu holen. Coco wartete unten an der Kellertreppe. Ich kehrte wenige Minuten später mit dem Verwalter zurück. Wir trugen Brecheisen, eine Spitzhacke und eine Axt. Zu dritt begaben wir uns zur Geheimtür.
Der Schloßverwalter Anthony Trelawney schaute auf die rauchenden Überreste des Untoten.
„Ist Ihnen der Name Edward Cottenham ein Begriff?" fragte ich.
Er nickte. „Viscount Edward ist 1793 spurlos verschwunden. Er hatte die Tür mit dem Löwenkopf gesucht.
„Er hat sie gefunden", sagte ich grimmig.
Dann standen wir vor der geheimnisumwitterten Tür. Coco hielt die Pyrophorpistole schußbereit und leuchtete uns. Der Verwalter und ich arbeiteten an der Tür. Sie war massiv. Der Schweiß brach uns aus.
Nach einer Viertelstunde hatten wir es geschafft. Knarrend öffnete sich die Tür. Hinter der Tür lag ein großer, höhlenartiger Raum mit vielen Seitenhöhlen und -nischen. Der Boden war mit knietiefem Staub bedeckt, und eine unheilschwangere bedrohliche Stille nistete in diesem Raum.
Coco und ich leuchteten hinein. Da hörten wir ein Wispern und sahen im Hintergrund und in den Nebenhöhlen Augen glühen. Sie betrachteten uns. Das Wispern wurde lauter.
„Es hilft nichts", sagte ich. „Ich werde hineingehen."
Als ich durch die Tür trat, sah ich eine Inschrift im oberen Türbalken eingemeißelt. Tritt ein und laß jede Hoffnung fahren, Verdammter.
Sonst war nichts zu entdecken. Als ich mich räusperte, hallte das Geräusch unheimlich verzerrt von den Wänden der großen Höhle wider.
Ich klemmte die Taschenlampe unter den Arm, stieg ein paar Stufen hinunter und öffnete den Koffer. Zuerst nahm ich einen Dämonenbanner heraus und warf ihn vor mich. Die unheimlichen Augen beobachteten, wie er in den Staub fiel und darin versank.
Nichts geschah. Da öffnete ich eine Weihwasserphiole und spritzte das geweihte Wasser in den höhlenartigen Raum. Nun entstand ein Orkan, und ein Brausen war zu hören. Staub wirbelte empor, nahm mir fast die Sicht und reizte mich zum Husten. Und schwarze Schwaden zogen aus den Höhlen und Nischen und vereinigten sich zu einer schwarzen Wolke, in der viele Augen leuchteten und glühten; Augen, die überraschend menschlich waren.
Hustend stolperte ich die Steinstufen hinauf und eilte durch die Tür.
Coco schoß ein paar Pyrophorkugeln in die schwarze Wolke, doch diese flogen durch sie hindurch und schlugen gegen die Wand. Glutspritzer zischten durch die Luft.
Die schwarze Wolke quoll aus dem Höhlenraum. Sie hüllte uns ein, ehe wir etwas dagegen tun konnten. Die Augen waren nun ganz nahe bei uns, unsere Haut wurde ganz leicht berührt. Es wisperte und raunte in unseren Köpfen.
„Wir sind die Schwarzen Seelen des Roderick Taboggwan, die verfluchten Geister von Schloß Drake. Unsere Gebeine sind in dem Fundament eingemauert oder zu Staub zerfallen. Kommt! Kommt zu uns und vergrößert unsere Schar!"
„Unheil nistet in den Gewölben. Ihr sollt verflucht sein, wie wir auch!"
„Kommt und laßt Fleisch und Knochen zerfallen! Kommt zu Roderick Taboggwans verfluchter Schar!"
Anthony Trelawney, der Schloßverwalter, trat als erster in den höhlenartigen Raum. Wie durch einen schwarzen Nebel sahen wir, wie sein Körper zu zerfallen begann. Trelawney stöhnte, und Entsetzen verzerrte sein Gesicht. Dann war es nicht mehr zu erkennen.
Anthony Trelawney zerfiel vor unseren Augen zu Staub. Auch seine Knochen wurden zu Staub. Nur die Augen schwebten in Kopfhöhe in der Luft. Sie glühten auf, wie die anderen Augen, die uns umringten, und schwebten nun herbei und reihten sich unter die anderen ein.
Anthony Trelawney war ein Teil der Wolke der Schwarzen Seelen geworden.
Jetzt trat Coco in den Höhlenraum, einem magischen Befehl folgend. Sie
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