097 - Die Todestür
üble Folgen haben; für Heilzwecke hatte ich ihn auch noch nie benutzt.
„Nun, Hunter?" fragte Trevor Sullivan.
Er sah schlecht aus. Die Strapazen des vergangenen Tages hatten sein hageres Geiergesicht gezeichnet; die Färbung der beiden Gesichtshälften unterschied sich deutlich.
„Wir werden es noch einmal versuchen", sagte ich. „Wenn es nicht gelingt, will ich zum Ys-Spiegel greifen."
Die Berührung mit Dämonenbannern und magischen Gegenständen, die Beschwörungen und alle magischen Zeremonien, die uns einfielen, waren umsonst. Fred Archer blieb in seiner Starre. Ich mußte zum letzten Mittel greifen, denn noch waren wir bei der Suche nach den dreizehn entführten Kindern um keinen Schritt weitergekommen.
Ich nahm den Ys-Spiegel und kehrte die Intelligentia-Seite, die das Gute verkörperte, dem reglos daliegenden Fred Archer zu. Ein wenig Speichel floß aus seinem halbgeöffneten Mund.
Ich konzentrierte mich und spürte, wie mein Geist eins wurde mit dem Ys-Spiegel, sich in seine unbekannten Dimensionen versenkte und reflektiert wurde. Ich wollte, daß Fred Archers Geist wieder in seinen Körper zurückkehrte und die kataleptische Starre von ihm wich.
Mir wurde schwindelig. Dann hörte ich Cocos Aufschrei der Freude und Trevor Sullivans Ausruf. „Er ist wieder bei sich! Er öffnet die Augen! Er setzt sich auf!"
Ich sah nichts. Vor meinen Augen verschwamm alles. Wie aus weiter Ferne drang Fred Archers Stimme an mein Ohr.
„Du hast mich gerettet, Dorian! Bei Gott, ich hatte es schon nicht mehr zu hoffen gewagt."
Ich sank auf einen Stuhl nieder.
Meine Rechte mit dem Ys-Spiegel hing schlaff herab. Der Spiegel berührte den Boden. Im Moment war ich nicht fähig, etwas zu sagen oder zu tun.
Fred Archers Geist ging in die Schwarze Wolke ein. Durch die Augen der anderen sah er seinen eigenen Körper auf dem Boden liegen; und er sah Trevor Sullivan auftauchen und die Wolke der Schwarzen Seelen mit Beschwörungen und dem Einsatz magischer Mittel zurücktreiben.
Die Wolke der Schwarzen Seelen zog sich in den Höhlenraum zurück, und die Schar der verfluchten Geister löste sich in mehrere Kollektive auf.
Fred Archers Geist war verwirrt; er war in einer anderen Situation als die anderen. Seht Körper und damit das Band zum körperlichen Leben existierte noch. Aber Fred Archer hatte keinen Kontakt mehr mit seinem Körper, und er wußte auch nicht, wie es diesem erging.
Zunächst kapselte Fred Archer sich ab. Er hatte Angst vor den Schwarzen Seelen. Archer merkte, daß er an die magische Materie der Schwarzen Wolke gefesselt war. Diese Schwarze Wolke war nichts anderes als die böse Energie des Roderick Taboggwan.
Der dämonische Lord und Baumeister war 1651 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden, doch seinen Geist hatten die Flammen nicht völlig vernichten können. Ein Teil von Roderick Taboggwan lebte weiter und stiftete Unheil, erfüllte das böse Vermächtnis des Dämons. Zu Lebzeiten hatte Roderick Taboggwan eine grausige Saat gelegt, jetzt trieb sie dämonische Blüten. Die Schwarze Wolke beherrschte die Schlösser, die der Dämon erbaut hatte. Fred Archer unternahm nach einiger Zeit ein paar Vorstöße. Zuerst wagte er nur einen flüchtigen Kontakt mit den Schwarzen Seelen, dann stellte er vollends die Verbindung mit ihnen her. Er spürte ihre Gedanken, wie sie die seinen spürten, und ihr ganzes Sein erschloß sich ihm.
Die Schwarzen Seelen waren einmal Menschen gewesen. Einige hatte Roderick Taboggwan bereits bei der Errichtung von Schloß Lion lebend in die Fundamente eingemauert und elend sterben lassen. Die anderen waren später Opfer des Dämons geworden, als seine böse Energie die Schwarze Wolke bildete und das Schloß terrorisierte.
All diese Geister waren Verfluchte, Schwarze Seelen in einem Zwischenbereich zwischen Leben und Tod, Diesseits und Jenseits, von Roderick Taboggwans böser Energie beherrscht, zusammengehalten und geleitet. Roderick Taboggwan war der dämonische Hirte, und sie waren die Herde. Er hatte ihr Denken vergiftet, sie der Verdammnis anheimgegeben und dazu gebracht, alles natürliche Leben zu hassen. Sie lebten in einer Aura von Finsternis, Bosheit und Grauen.
Fred Archer las die Gedanken eines einfachen Bauern, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Nähe von Barnstaple geboren war. Er hatte hart arbeiten müssen, aber er war zufrieden gewesen auf seinem kleinen Hof mit seiner Familie. Bis 1638 die Schergen des Roderick Taboggwan kamen und ihn und seinen
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