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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Gefängnisses. Sie schien ohnmächtig zu sein, denn ihr Kopf hing reglos an ihrer Brust. Ihr rotes Haar war blutverklebt, was auf eine unbehandelte Kopfverletzung schließen ließ, und auch sie war brutal gebunden und geknebelt worden.
    Nicole unterdrückte den Brechreiz, den die Kombination aus verfliegendem Betäubungsmittel und Knebel in ihr auslöste, und auch die nur langsam abebbende Panik, spannte ihre Muskeln an und stemmte sich mit aller Kraft gegen die Seile, die ihre Gelenke fixierten. Doch das einzige Resultat dieser Mühen bestand darin, dass sie sich die Stricke so tief ins Fleisch schnitt, dass sie vor lauter neuem Schmerz Sterne sah.
    Frustriert und gequält grunzte sie. Dann eben anders.
    Abermals konzentrierte sie sich auf ihre Muskulatur, diesmal jedoch zu einem anderen Zweck. Sie stieß sich vom Boden ab, auf dem sie lag, und rollte sich mehr schlecht als recht zu Amy hinüber. Sowie sie die Leidensgenossin erreichte, winkelte sie die Beine an, spannte ihre Oberschenkel- und Bauchmuskulatur - Lang lebe der Fitnessraum im Château! - und sprang in die Hocke. Es gelang schon beim ersten Versuch.
    Sorgenvoll betrachtete Nicole die andere Gefangene. Erst als sie sie mit dem Kopf anschubste, kam langsam wieder Leben in Amy. Wie erwartet, brauchte auch sie einige Augenblicke, die neue Situation zu erfassen. Dann mmphte sie in einem ersten Anfall von Panik in ihren Knebel.
    Nicole reagierte sofort. Mit Blicken und sanften Schubsern verdeutlichte sie der Polizistin, was sie vorhatte. Danach machte sie sich an die Arbeit, doch Plan A - sich mit den Fingern gegenseitig die Knoten zu lösen - scheiterte schnell. Ihrer beider Hände waren schlicht schon zu schlecht durchblutet und die Knoten zu fest, als dass sie etwas hätten bewirken können.
    Also Plan B.
    Nicole legte ihren Kopf an Amys und begann, Knebel an Knebel zu reiben. Amy begriff prompt und half mit. Nach einer schier endlos scheinenden Anzahl von Minuten war das Tuch vor dem Mund der Polizistin so weit hinuntergerutscht, dass Amy den dicken Lappen, den man ihr zudem in den Mund gezwungen haben musste, ausspucken konnte.
    »Jetzt du«, sagte sie keuchend und zog Nicoles Knebel mit den Zähnen fort.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Nicole, als sie endlich wieder sprechen durfte.
    »Abgesehen davon, dass mein Schädel dröhnt und ich den Geschmack von toter Katze im Mund habe, ja«, antwortete Amy bitter. »Vorausgesetzt, wir sparen uns, von Offensichtlichem zu sprechen.«
    Nicole atmete beruhigt aus. Gut zu wissen, dass sich Amy auch in dieser misslichen Lage ihren Humor bewahrte. Mit sarkastischen Gefährten kämpfte es sich deutlich besser als mit verängstigten. »Wo sind wir hier?«
    Der Raum maß vielleicht acht Quadratmeter und schien ein Keller zu sein. Unverputzte Steinwände und ein Boden aus plattgetretenem Erdreich. Eine nackte Glühbirne in der Deckenmitte -ausgeschaltet, und der Schalter war nirgends zu sehen. Hinten links befand sich eine geschlossene Stahltür ohne Griff. An der rechten Wand, kurz unterhalb der Decke, befand sich ein kaum zehn Zentimeter schmaler und etwa dreißig langer, vergitterter Schlitz - ein Fenster -, durch den kalte Nachtluft und ein wenig Mondlicht ins Innere fiel. Die einzige wirkliche Lichtquelle.
    »Keine Ahnung«, antwortete Amy, stemmte sich an der Wand entlang in die Höhe und hüpfte ungelenk zum Fensterschlitz, durch den sie dann spähte. »Aber zumindest sind wir es noch nicht allzu lange. Draußen ist’s nach wie vor dunkel. Abgesehen davon sehe ich aber nur Gras.«
    Nicole verkniff es sich, ihrer Befürchtung Luft zu machen, dies könne schon eine ganz andere Nacht als die ihrer Entführung sein. Zum einen bezweifelte sie das selbst, und zum anderen wollte sie Amy nicht unnötig beunruhigen.
    Sag mir lieber, warum du dich überhaupt derart hast überrumpeln lassen, tadelte sie sich in Gedanken. Nun, da sie sich an die Ereignisse vor der Wache erinnerte, kam sie sich selbst dämlich vor. Vermutlich hatte ihr der Kampf im Seafood Salon mehr zugesetzt, als sie gedacht hatte. Andernfalls wären ihre Reflexe nämlich deutlich besser auf Zack gewesen.
    Amy atmete tief durch. »Ich kann das Wasser riechen«, sagte sie dann. »Wir müssen irgendwo in der Nähe der Küste sein.«
    Nicole grunzte und stemmte sich in eine bequemere Position. »Wenn ich diese Insel richtig in Erinnerung habe, ist man das hier ständig.«
    »Stimmt auch wieder.«
    »Sind wir überhaupt noch auf City Island?«
    Amy spähte

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