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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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schleuderte den Becher mit voller Wucht gegen die Wand. Es knallte so laut, dass Amy zusammenfuhr. »Fragen, Fragen«, äffte Jennings - oder was auch immer in ihn gefahren sein mochte - hasserfüllt. »Ich an Ihrer Stelle würde mir die Mühe sparen, verstehen zu wollen, was mich ohnehin nicht betrifft.«
    Nun war es an Nicole, die Stirn zu runzeln. »Nicht betrifft? Aber…«
    »Richtig gehört«, fuhr der Kurator sie an. »Ihre Freundin hier ist mir absolut egal. Es ging nie um sie.« Dann ließ er die bass erstaunten Frauen allein zurück. Die Stahltür schloss sich wieder.
    Amy und Nicole sahen sich an. »Du«, begriff Amy leise. Sie war blass geworden. »Es geht ihm um dich. Ich stand nur zufällig daneben, als er zuschlug. Kein gutes Zeichen…«
    Nicole nickte. »Okay, es wird Zeit, dass wir handeln.« Was genau ist da gerade passiert?, grübelte sie nach, dass Jennings’ Verhalten und Körpersprache so derart grundlegend veränderte? »Sie sind von hier, Amy, richtig?«
    Die Polizistin nickte.
    »In Ordnung. Erzählen Sie mir alles, was Sie über die Geschichte dieser Insel wissen. Wirklich alles. Und fangen Sie bei den Indianern und Frauen namens Hook an.«
    ***
    »Na ja, allzu viel weiß ich nicht. Bis vor ein paar Wochen hatte ich noch nie einen Fuß auf diese Insel gesetzt.«
    Andy Sipowicz blickte hilflos zu Boden. Der Schein seiner Taschenlampe glitt über die regennasse Teerdecke der Carroll Street.
    »Trotzdem«, beharrte Zamorra, der neben ihm ging. »Konzentrieren Sie sich. Jedes Detail, und erscheint es Ihnen auch noch so belanglos, könnte ausschlaggebend sein. Was wissen Sie über City Island und seine Geschichte?«
    Und Andy begann zu erzählen - erst langsam und stockend, dann immer flüssiger. Er redete von der eigenartigen Bevölkerung, die er als Mischung aus naiven Provinzeiern und großkotzig-reichen Frührentnern bezeichnete. Von der fürchterlich künstlichen Fischerdorf-Atmosphäre, die die Insel aufrechterhielt, um sich bei den Touristen anzubiedern. Von nervigen Leuten wie dem Kurator Jennings und charakterlichen Lichtblicken wie Amy Williams.
    Zamorra schmunzelte. »Sie mögen sie, oder?«
    Es dauerte einen Moment, bis der Sergeant sich zu einer Antwort durchgerungen hatte. »Wäre sie nicht hier, weiß ich nicht, ob ich nicht längst meinen Abschied von der Truppe genommen hätte«, gestand er leise. »Sie ist so ziemlich das einzige an City Island, das mich noch im Job hält.«
    Zamorra nickte. Andy war ein Stadt-Cop. Ihn aus Manhattan zu nehmen, hatte ihn bestimmt völlig entwurzelt. Zandt wusste genau, wie er die Seinen strafen konnte.
    Hinter den kleinen Häusern, die die beiden Männer gerade passierten, ging langsam die Sonne auf - zumindest, soweit man das bei dem dichten Nebel erkennen konnte. Der Morgen brach über der Bay an, und obwohl Zamorra und sein amerikanischer Kompagnon seit einer stolzen Weile die Straßen und Hinterhöfe rings um die Wache nach Spuren absuchten, hatten sie noch immer keinen Hinweis auf den Verbleib der beiden Frauen oder ihrer Entführer gefunden. Der Meister des Übersinnlichen hatte bereits überlegt, die Suche um eine magische Komponente zu erweitern, bislang aber davon abgelassen. Was immer auf der Insel lauerte, verhielt sich momentan recht ruhig. Er wollte es nicht unnötig reizen - nicht, bis er vollends bereit für es war. Und wäre Nicole in großer Gefahr, hätte sie sicher längst Merlins Stern gerufen.
    So sehr Zamorra von Nicoles Wohlbefinden überzeugt war, so besorgt zeigte sich Andy - und je länger sie ergebnislos die Insel durchkämmten, desto niedergeschlagener und nervöser wurde der Sergeant. »Wenn wir nur wüssten…«, begann er gerade, brach aber ab.
    Der Dämonenjäger legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ganz ruhig, Andy. Was immer auch geschehen ist, vergessen Sie eins nicht: Nicole ist bei ihr. Die beiden passen schon auf sich auf, glauben Sie mir.« Er sah auf und zu den noch nachtschlafend wirkenden, pittoresken Bauten entlang der Straße. »Überhaupt: Was soll hier schon groß passieren?«, scherzte er aufmunternd. »Idyllischer geht’s doch kaum.«
    Just diesen Moment nutzte Andys Funkgerät, um ihm das Gegenteil zu beweisen. Das kleine Gerät, dessen Sprech- und Empfangsteil mit einem Clip auf Schulterhöhe an der Uniform des Sergeants befestigt war, plärrte plötzlich los.
    »Police Plaza One an CIPD. Andy, hören Sie mich?«
    Zamorra stutzte. Die Stimme kannte er doch.
    »Hier CIPD«, meldete sich Andy.

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