0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner

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aufgebläht. Moos, Muscheln, Schwämme und Algen hingen an seinen hölzernen Seiten herab. Aus seinen Kanonenschächten stieg der Nebel so dicht und stark, als seien sie sein Ursprung, und auf seinen Masten prangten die Flaggen Englands und des Vereinigten Königreichs. Es war schon nah genug, dass Zamorra die Leichen erkennen konnte, die kreuz und quer über seine Reling hingen. Sie sahen aus, als hätten sich ganze Generationen an Möwen und anderem Getier bereits an ihnen gütlich getan.
    Plötzlich standen sie an Land!
    Der Professor wusste nicht zu sagen, wie es geschehen war, doch von einem Sekundenbruchteil zum anderen waren diese Geisterleichen nicht länger auf See, sondern keine zwanzig Schritte vor ihm. Und sie kamen auf ihn und Andy zu.
    Ihre Säbel und Gewehrläufe glänzten im bizarren Schein des Nebels. Würmer krochen ihnen aus den zahnlosen Mündern und leeren Augenhöhlen. Ihre Arme und Beine waren kaum mehr als Knochen, die aus vermoderten Ärmeln und Hosen ragten. Doch diese Kleidung war einst kostbar gewesen, das sah der Professor sofort. Vor vielleicht vierhundert Jahren.
    Die Pilgerväter, schoss es ihm durch den Kopf. Das sind die ersten Einwanderer der Neuen Welt.
    Dann waren die Unheimlichen heran. Andy duckte sich unter einem Säbelhieb hinweg und schoss auf den Angreifer, doch die Kugel irritierte den wandelnden Leichnam nur kurz. Aus nächster Nähe getroffen, schwankte der Mann weiter auf Sipowicz zu. Erst als die Blitze des Amuletts ihn einhüllten, bremste das seinen Ansturm. Zwei Sekunden später stand das Wesen lichterloh in Flammen und verging.
    Wie schon beim letzten Angriff kamen direkt zwei neue nach.
    »Professor!«
    Zamorra sah sich um. Andy schoss auf jeden, der sich ihm näherte, vermochte die Untoten allerdings nur zu verlangsamen. Hier riss seine Kugel jemandem den Kieferknochen weg, da durchtrennte sie Elle und Speiche, doch keine der grauenvollen Gestalten ließ dauerhaft von ihrem Bestreben ab, den Sergeant und den Dämonenjäger zu vernichten. Nur dank der Hilfe des Professors und seines Amuletts konnte sich Andy überhaupt noch frei bewegen.
    Zamorras Gedanken rasten. Er fokussierte seine gesamte magische Kraft darauf, den Wesen den Garaus zu machen. Vernichtend schlugen Energieblitze, die den Blitzen von Merlins Stern ähnelten, in die über den nassen Sand eilenden Zombieleiber. Ein Gestank von brennendem Fleisch und brennenden Haaren stieg dem Professor in die Nase und weckte Übelkeit in ihm.
    Dann geschah es. Völlig aus dem Nichts erschienen plötzlich gut fünfzehn neue Seemannsleichen. Sie umringten den Schild, die Merlins Stern um seinen Träger aufrecht erhielt, und stürmten gleichzeitig auf diese ein. Der Dämonenjäger konnte dieser Übermacht zwar Paroli bieten, doch der geballte, so sinnfrei scheinende Angriff kostete ihn wertvolle Kraft. Nichts anderes hatte er erreichen sollen.
    Der Plan ging auf! Kurzzeitig abgelenkt, entging Zamorra, dass zur gleichen Zeit andere Leichen auf Andy zuhielten. Erst als der Sergeant schmerzerfüllt aufschrie, begriff er, was geschah.
    Das schwächste Glied. Diese Monster suchen das schwächste Glied in unserer Verteidigung.
    Als die Fünfzehn weißglühend und stinkend vor seinen Augen verendeten, sah der Dämonenjäger wieder, was seinem Begleiter widerfuhr: Sechs der Zombiepilger hatten Andy überwältigt! Sie hielten ihn am Boden, obwohl er sich wand und wehrte wie ein Berserker. Sein Hemd war blutdurchtränkt, sein Hosenbein aufgeschlitzt. Schon näherten sich ihre Klingen seinem Hals.
    Zamorra reagierte sofort. Er stürmte vor und ließ das Amulett wüten. Ein Leichnam nach dem anderen schwand im energetischen Feuer von Merlins Stern.
    Nach wenigen Sekunden war Andy frei. Der Sergeant sprach seinem mitgenommenen Anblick hohn, rollte behände zur Seite und sprang aus seiner unbequemen Liegeposition direkt in den Stand, die Arme abwehrend erhoben.
    »Wo ist Ihre Waffe?«, rief Zamorra ihm über das Tosen zu, das der Dimensionsriss und die Zombies verursachten.
    Andy schlug zwei der Angreifer mit bloßen Fäusten nieder. Dann sah er sich nach der Glock um, die ihm aus der Hand gefallen sein musste. »Hab sie«, rief er schließlich zurück - und sofort startete sein Dauerfeuer von Neuem.
    Auch Zamorra kämpfte ohne Unterlass, doch im Gegensatz zum jungen Sergeant begriff er allmählich, welche unbequeme Wahrheit hinter dieser Attacke steckte.
    Wir verlieren . Besser gesagt: Wir können nicht gewinnen.
    So hart es