0985 - Libertys Tränen
klang, so wahr war es. Für jeden Untoten, den er mittels Amulett vernichtete, wuchsen mindestens zwei neue aus dem Nebel - wieder und wieder. Klar konnten er und Andy ihre Position halten, bis des Sergeants Magazin leer und Zamorras Kräfte zur Neige gegangen waren. Doch spätestens dann - und dieser Moment würde kommen - stünde nichts mehr zwischen der Besatzung des bizarren Schiffs und den Bewohnern City Islands, deren Großteil vermutlich eben erst aus ihrem Schlaf erwachte und von seinem drohenden Untergang nichts mitbekam.
»Wir haben keine Chance, oder?«
Das war Andy. Keuchend und schweißgebadet stand der Sergeant da, die Glock auf die nahenden Horden gerichtet. Auch er hatte begriffen, was die Stunde schlug.
Zamorra schluckte. Hätte er nur noch mehr Kraft! So sehr er sich auch bemühte, gelang es ihm trotz Dhyarra nicht, mehr als ein paar der Untoten gleichzeitig zu vernichten - vom Schiff oder dem Nebel selbst ganz zu schweigen. »Sieht ganz so aus«, sagte er knapp.
Andy nickte.
Es war vorbei.
»Hätte nie gedacht, dass es mal so endet«, murmelte der Sergeant.
Dann packten ihn erneut die Zombies, begruben ihn unter sich und…
Nichts mehr.
Vom einen auf den anderen Augenblick waren die Unheimlichen fort - nicht nur die über Sipowicz, sondern alle!
»Was… Wie…« Andy lag auf dem Rücken im Sand, die Arme abwehrend vor den Oberkörper gehalten, und sah sich fassungslos um.
Zamorra rang nach Luft und war für einen Moment nichts als dankbar, dass es vorbei war. Erst dann blickte er auf und traute seinen Augen nicht. Die Küste City Islands war wieder so friedlich und unscheinbar wie am Vortag. Auch der Dimensionsriss und das gewaltige Segelschiff existierten nicht länger, einzig der Nebel war geblieben, leuchtete allerdings längst nicht mehr so intensiv wie zuvor. Merlins Stern schaltete den Schild ab.
»Spinn ich jetzt?«, fragte Andy und stemmte sich in die Höhe. »Das… Das hab ich mir doch nicht eingebildet!«
»Bestimmt nicht«, erwiderte Zamorra. Er keuchte. Die Anstrengungen dieser endlos scheinenden Nacht setzten ihm deutlich mehr zu, als er erwartet - und erhofft - hatte. »Es ist geschehen. Diese Wesen waren hier. Mit entsprechender Ausdauer hätten sie uns sogar erledigen können, das ist sicher.«
»Dann sagen Sie mir, wo zum Teufel sie hin sind?«, bat Andy ratlos. »Ein Team geht doch nicht vom Platz, wenn es gerade gewinnt!«
Zamorra verstand es genauso wenig wie er. »Vielleicht reichte ihre Energie nur für einen bestimmten Zeitraum«, spekulierte er spontan und dachte an seine eigene Erschöpfung. »Vielleicht vergingen sie so plötzlich, weil die Macht, die sie erscheinen ließ, sie nicht langfristig halten konnte.«
»So oder so«, murmelte Andy. »Eins steht fest: Hier draußen dampft die Kacke gewaltig.« Er griff in seine Hosentasche und zückte sein Handy. »Ich ruf im PPO an. Soweit ich weiß, hat sich der Bürgermeister für die heutige Feier angekündigt. Zandt kennt den Mann. Egal, was Zandt derzeit von mir denkt: Er soll Mayor Roslyn unbedingt ausreden, City Island zu betreten. Hier ist es nicht sicher.«
»Gute Idee«, stimmte der Dämonenjäger zu. Inspiriert von Andys Einsatz, nahm er sein TI Alpha zur Hand und wählte eine Nummer im Tal der Loire.
Nach dem zweiten Tuten nahm jemand ab. »William? Ich bin’s. Hören Sie, wir brauchen Ihre Recherchekünste. Bitte forschen Sie doch mal nach, ob sich aus ein paar Schlagworten ein Zusammenhang hersteilen lässt. Das erste Wort lautet Wampage…«
***
Unbemerkt von den beiden Männern hatte noch ein dritter dem unheimlichen Spektakel an der Küste beigewohnt. Einer, der nach wie vor im Schatten zwischen zwei Häusern an der Strandpromenade stand. Einer, der zitterte.
»Es wird stärker in dir. Spürst du es nicht?«
Lyle Jennings zuckte zusammen, als die gleichzeitig so fremde und vertraute Stimme zu seiner Rechten erklang.
»Die Energie«, fuhr sie fort. »Die Macht. Das Böse. Nicht mehr lange, und der Moment ist da.«
Lyle schloss die Augen. Er wagte es nicht, sich zu bewegen.
»Schau mich an, Lyle.«
Kopfschütteln.
»Schau. Mich. An!«
Er wollte es nicht, wehrte sich mit aller Kraft - doch der Drang, den der Befehl in ihm auslöste, war stärker. Mit einem Mal lähmte ihn nicht mehr nur die Angst, sondern auch etwas Fremdes. Etwas Bösartiges. Lyles Körper gehorchte nicht länger seinem Willen! Sein Kopf drehte sich ohne sein Zutun, und als sich die Augenlider wieder hoben, sah er,
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