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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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war, einen derartigen Einfluss auf sie gehabt? Das war ganz und gar kein angenehmer Gedanke.
    Aber einer, der ins Bild passt , folgerte Nicole. Auch Jennings ist erst durchgedreht, nachdem er auf den Becher starrte. Besser gesagt: auf sein Spiegelbild im Becher. Sie schluckte. Was wohl geschehen wäre, wenn Amy sie nicht wieder aus ihrer tranceartigen Starre befreit hätte? Wäre auch sie dann zu einem Monster wie Jennings mutiert? Das wollte sie sich gar nicht vorstellen.
    »Okay«, sagte Nicole leise - teils, um sich selbst zu beruhigen, teils, um ihre Gedanken zu sammeln. »Bleibt also noch eine Baustelle zu beackern, bevor wir weitersehen können.« Sie sah zu Amy. »Erzähl mir alles, was du über Lyle Jennings weißt.«
    Kapitel 7
    Des Satans Trauer
    »Verstanden, William. Danke. Ja, Ihnen auch.«
    Professor Zamorra nahm das TI Alpha vom Ohr und trennte die Verbindung nach Frankreich. Dann sah er Andy an.
    »Holla«, murmelte der Sergeant. »Indianer, Skalpierungen… Ihr Butler hat da eine ganz schöne Gruselgeschichte ausgegraben, so viel ist sicher.«
    Zamorra nickte. »Und sie deckt sich mit unseren Vermutungen und Beobachtungen. Die Ereignisse aus der Frühzeit von City Island scheinen sich in der Gegenwart auf bizarre Weise zu wiederholen.«
    Und sie beeinträchtigen die Realität, ergänzte er in Gedanken und blickte zum Himmel. Wie inzwischen schon fast üblich, war dieser dicht bedeckt. Dunkelgraue Wolken raubten die Sicht aufs blaue Firmament und ließen gerade genug Licht durch, dass Andys neue Wohn- und Wirkungsstätte nicht ganz in nächtlicher Schwärze verbleiben musste. Zwischen den Wolken flackerte gelegentlich wieder dieses eigenartige, angebliche Wetterleuchten auf. Seinetwegen waren der Professor und sein amerikanischer Begleiter am Strand stehen geblieben. Sie hatten abwarten wollen, ob das Spektakel weit über ihren Köpfen eine Rückkehr des Geisterschiffes ankündigte. Doch inzwischen war sich Zamorra ziemlich sicher, dass dem nicht so war. Wie auch immer das nächste Kapitel dieser seltsamen Geschichte aussehen mochte, hier spielte es nicht. Ansonsten hätte es längst angefangen.
    »Glau… Glauben Sie, Wampage und seine Geister haben Amy und Nicole geholt?«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen nicht das Gegenteil beweisen, Andy, aber ich bezweifle es. Nicole hat noch immer nicht das Amulett gerufen. Wäre sie einer paranormalen Macht in die Hände gefallen, hätte sie das inzwischen bestimmt getan. Und außerdem: Nicht alles, was hier geschieht, geht direkt auf Wampage zurück. Die Siedler und Seeleute von vorhin waren eindeutig ein Verweis auf die Kolonisten, nicht auf Anne Hutchinsons Schicksal.«
    »Also eher auf die Insel selbst«, begriff Andy. »Auf ihre Historie.«
    Zamorra schaute sich um. Der Alltag hatte City Island wieder in seinen Klauen. Wohin der Dämonenjäger auch blickte, sah er Passanten, fahrende Autos, Menschen in Straßencafés - Normalität.
    Die Vergangenheit. Irgendwie geht’s hier in New York immer wieder um das Gestern.
    »Wir sollten zum Museum gehen«, sagte er leise. »So, wie wir es ohnehin vorhatten. Mal schauen, ob Ihr schrulliger Kurator noch ein wenig mehr Licht ins Dunkel bringen kann.«
    Gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
    ***
    Amy Williams schlug das Herz bis zum Hals. Ihre Knie zitterten. War das das Ende?
    »Weitergehen, bitte. Machen Sie’s uns nicht unnötig schwer, Officer.«
    Das war Jennings. Der alte Lyle Jennings. Amy kannte ihn seit ihren Kindertagen, und doch erkannte sie ihn nicht mehr wieder. Oh, das war nicht das aggressiv-egomanische Monstrum, in das er sich während seines Besuchs in ihrem Gefängnis - einem Raum im Keller des Museums, wie sie inzwischen wusste -kurzzeitig verwandelt hatte. Sondern der arrogante Wicht von eh und je. Doch Jennings hatte sich trotzdem verändert. Er war getriebener. Wie unter Druck.
    Und er hatte Angst. Die Waffe, die er auf Amy richtete, während er sie die Kellertreppe hinauf und durch die Korridore des Erdgeschosses führte, zitterte in seiner Hand, und in seinem Blick lag ein Flackern, das Amy aus ihrer Polizeiausbildung kannte. So schauten Menschen, die verzweifelt waren. Die keinen Ausweg mehr wussten. Zu allem entschlossene Menschen.
    »W- Was haben Sie vorhin eigentlich gemeint?«, fragte sie stockend. So stand es schließlich in den Lehrbüchern: In Krisensituationen sollte man stets versuchen, die Risikopersonen in ein Gespräch zu verwickeln. »Als Sie bei uns

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