0987 - Das Seelenloch
besonders schmeckte. Die Ereignisse schlugen ihr halt auf den Magen. Sie fragte sich, wie weit sie den Aussagen der Hexen-Karin trauen konnte, und sie dachte auch daran, daß sie hergekommen war, um Urlaub zu machen und den Job zu vergessen. Anscheinend war ihr das nicht vergönnt, und so war sie wieder in den Strudel eines Falles hineingezerrt worden.
Jetzt gab es zwei Möglichkeiten für sie. Entweder nachhaken oder ignorieren.
Nein, die letzte Alternative kam doch nicht infrage. Sie wollte es nicht ignorieren. Das konnte sie einfach nicht. Sie würde nachhaken und dieser einsam liegenden Almhütte einen Besuch abstatten.
Da hatte sie wenigstens ein Ziel.
Interessant wäre es natürlich gewesen, die dort lebenden Menschen kennenzulernen. Um das zu ermöglichen, mußte sie sich mit der Besitzerin des Hotels in Verbindung setzen.
Jane aß schneller. Sie trank noch einen Saft, dann war die Unruhe in ihr so groß geworden, daß sie nichts mehr an ihrem Platz hielt. Andere Gäste wunderten sich an diesem Morgen über ihre Sprachlosigkeit, denn in den vergangenen Tagen hatte sich Jane des öfteren mit den Gästen unterhalten und von einigen, die schon seit Jahren hier ihren Urlaub verbrachten, gute Tips erhalten, was Wanderungen anging.
Sie tupfte die Lippen ab und stand auf. Fertig angezogen war sie. Jeans, der lockere Pullover, fehlten nur noch die Bergschuhe. Die standen unten im Keller des Hotels, wo man die Schuhe wechselte.
Jane verließ den Frühstücksraum und ging in Richtung Rezeption. Was selten geschah, war an diesem Morgen eingetroffen. Frau Moosegger stand hinter der Rezeption und telefonierte. Sie sah ihren Gast nicht kommen, und Jane blieb in der Nähe stehen, schaute sich einige Prospekte an, spitzte aber tatsächlich die Ohren. So erfuhr sie, daß die Frau mit der Polizei sprach, sich bei ihr wohl nicht durchsetzen konnte, denn man glaubte ihr nicht. Eine Leiche, die mit einem Messer traktiert worden war, und ein geheimnisvolles Seelenloch - das nahmen ihr die Beamten nicht ab.
Entnervt legte die Frau auf, schüttelte den Kopf und wischte über ihre Stirn.
In diesem Augenblick ging Jane auf die Rezeption zu und wurde von Christel Moosegger gesehen.
Die Dame des Hauses wußte, was sie ihren Gästen schuldig war und »knipste« sofort ihr bestes Lächeln an, was ihr aber nur halb gelang. Die Sorgen zeichneten sich schon im Gesicht der dunkelhaarigen, aparten Frau ab, die ein sehr gutes und bekanntes Hotel managte.
»Guten Morgen, Frau Collins. Was kann ich für Sie tun?«
»Ach«, sagte Jane, »ich hätte da eine Frage.«
»Bitte.«
Jane legte ihre Hände auf die Rezeptionstheke und sagte: »Ich möchte heute mal nicht so lange wandern und dachte dabei an einen Spaziergang nach Bürstegg, der Keimzelle dieses Ortes.« Sie hatte Christel Moosegger nicht aus den Augen gelassen und stellte fest, daß die Frau erschrak. Sie zuckte zusammen, ihre Blicke zeigten für einen winzigen Moment einen Anflug von Panik, dann nagte sie auf ihrer Unterlippe und hob die Schultern.
»Ist es nicht gut?«
»Sie haben recht, Frau Collins. Es ist nicht gut. Heute zumindest nicht.«
»Das Wetter ist doch…« Jane versuchte mit diesem Trick an mehr Informationen heranzukommen.
»Pardon, aber mit dem Wetter hat das nichts zu tun. Es liegt daran, daß die Hütte für ein paar Tage nicht bewirtschaftet ist. Das Ehepaar Huber hat Bürstegg aus persönlichen Gründen verlassen, die Hütte steht also leer. Sie kriegen dort nichts zu essen. Daran sollten Sie wirklich denken.«
»An das Essen dachte ich nicht gerade.«
»Trotzdem, es ist…«
Jane lächelte Frau Moosegger so offen an, daß diese nicht weitersprechen konnte und sich etwas irritiert zeigte. Sie blickte zur Seite und hörte dann, wie Jane sagte: »Sie brauchen keine Angst zu haben, Frau Moosegger. Ich komme schon zurecht. Auch mit Dingen, die aus dem Rahmen fallen.«
»Ja…?« Die Hotelbesitzerin hatte das eine Wort gedehnt ausgesprochen. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich eine gewisse Spannung ab, aber Jane erzählte ihr nicht, was sie wußte, sondern bedankte sich für guten Ratschläge.
Frau Moosegger war erleichtert. »Frau Collins, wandern Sie doch nach Zürs, oder fahren Sie mit unserer Gruppe zum Formarin-See. Von dort können Sie wunderbare Wanderungen unternehmen. Allein oder in der Gruppe. Unser Peps geht als Bergführer mit.«
Jane nahm durch ihr Lachen die Spannung weg. »Ja, Peps ist toll, wenn man bedenkt, daß er schon achtzig
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