0987 - Das Seelenloch
ist.«
»Um halb zehn geht es los.«
»Ich werde es mir überlegen. Es ist ja noch eine halbe Stunde Zeit. Einen schönen Tag noch, Frau Moosegger.«
»Ja, Ihnen auch.«
Jane Collins hatte es sich schon längst überlegt. Die blonde Detektivin begab sich in den Keller, eine Art Souterrain, wo auch die Auslagen eines Modeladens für Damen lockten, die Jane jetzt aber nicht interessierten. Sie passierte das Geschäft und betrat den Raum, wo die Gäste ihre Bergschuhe abstellten.
Ihre standen nebeneinander. Sie waren vom Material her leicht, aber trotzdem fest.
Jane schlüpfte hinein. Auch ihre Windjacke hatte sie dort hingelegt. Sie band sie um die Hüften und ging nicht erst wieder bis zum normalen Hoteleingang hoch. Sie verließ den Raum hier unten, trat hinein in die herrlich klare Luft und auch in den Schein der Morgensonne. Sie sah und hörte den Lech und entdeckte ein paar Wanderer, die um diese Zeit unterwegs waren.
Bürstegg reizte Jane.
Aber es gab noch etwas, das sie noch mehr reizte.
Eine Telefonzelle, denn von dort aus wollte sie mit John Sinclair in London sprechen…
***
Der Weg war gut ausgeschildert und überhaupt nicht anstrengend zu laufen. Sie liebte die Berge, dieses Flair, aber an diesem Morgen wollte es ihr nicht so gut gefallen, denn ihre Gedanken drehten sich permanent um das, was sie gehört hatte.
Die Aussagen des Hexerls hatten sie schon ein wenig nervös gemacht, und Jane fragte sich, wie weit diese Karin tatsächlich in den Fall verstrickt war.
Verfügte sie wirklich über Hexenkräfte? Wenn ja, von Natur aus, oder waren sie ihr durch den mittlerweile toten Huber auf eine magische Art und Weise eingegeben worden?
Jane konnte darauf keine Antwort geben. Sie hoffte nur, das Richtige zu tun, wenn Sie den Fall jetzt direkt anging. Auf die Wanderkarte, die in ihrer rechten hinteren Jeanstasche steckte, brauchte sie nicht zu schauen. Der Weg war wirklich gut ausgeschildert.
Trotz ihrer nächtlichen und auch morgendlichen Erlebnisse ließ sie sich von der Landschaft beeinflussen. Lech lag wirklich in einem wunderschönen Tal. Umgeben von hohen Bergen, geschmückt mit Almen und Waldgürtel, mit nur wenigen Bergbahnen. Und auch die schmucken Häuser konnten Bergfreunde begeistern.
Jane war ebenfalls angetan. Sie nahm sich hin und wieder Zeit für einen Rundblick. Dann verschwand jedesmal der Ernst aus ihrem Gesicht, und die Augen strahlten, wobei sich ihre Lippen zu einem Lächeln verzogen, weil eben die Umgebung so wunderbar war.
Aber sie dachte auch an John Sinclair.
Natürlich hatte sie ihn gefragt, ob er eventuell bereit war, hier in Lech zu erscheinen. Begeistert war er nicht gewesen, doch er wollte der Detektivin zunächst einen gewissen Vorlauf geben. Sollten sich die unerklärlichen Vorkommnisse verdichten, war John sofort bereit, nach Lech zu reisen. Jane wußte nicht, ob sie sich wünschen sollte, daß dies eintrat.
Entscheiden würde sie sich in der Almhütte.
Die war schon zu sehen. Ja, das mußte sie sein. Jane Collins war am Fuße einer Bergwiese stehengeblieben, schaute den Hang hoch, sah den schmalen Pfad, der sich wie eine tote, bräunliche Riesenschlange durch das Grün der Wiese wand und sicherlich an dem Haus und der an ihm stehenden kleinen Kapelle endete.
Das also war Bürstegg, der Rest einer alten, niedergebrannten Walsersiedlung, die zugleich vor Jahrhunderten der Ursprung des Ortes Lech gewesen war.
Was in den Bergen oft nah aussieht, täuscht. Auch Jane glaubte nicht daran, daß sie die Hütte in wenigen Minuten erreichen würde. Sie behielt recht, denn es dauerte fast zwanzig Minuten, bis sie ihren Fuß auf die erste Stufe der Steintreppe setzen konnte. Sie nahm den Geruch eines Kamins wahr, entdeckte auch den Holzstapel sowie die Kühe auf der nahen Weide. Der Klang der Glocken wurde von der reinen Luft weit getragen. Fast ohne Wolken präsentierte sich der Himmel, und sein Blau zeigte eine weiche, helle und durch die Sonne strahlende Farbe.
Viel Zeit, den Ausblick zu genießen, nahm sich Jane nicht. Dafür drängte es sie einfach zu stark, die Hütte zu betreten. Sie spürte deutlich das Herz klopfen. Sie hatte sogar feuchte Handflächen bekommen, was sie ärgerte, denn wenn sie zurückdachte, hatte sie bereits sehr viel durchlebt.
Zu sehen war niemand. Sie stand allein vor dem Eingang. Es zeichneten sich auch keine Spuren auf dem Boden ab. Für einen Moment dachte sie an die Hexen-Karin. Jane wäre nicht verwundert gewesen, sie hier oben zu
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