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0989 - Das Erbe der Fremden

0989 - Das Erbe der Fremden

Titel: 0989 - Das Erbe der Fremden
Autoren: Jason Dark
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in das Tuch versteckt, das auch ihren Körper umhüllte.
    »Ich habe ihr gesagt, wer Sie sind, aber nicht den Grund Ihres Besuches erwähnt, den ich ja nicht kenne. Sie können jetzt mit ihr sprechen. Ich ziehe mich zurück.«
    »Danke.«
    Schwester Sandra setzte sich auf einen der Stühle und legte die Hände in den Schoß.
    Die Greisin hob den Blick. Ihre wässrigen Augen richteten sich auf mich und den neben mir stehenden Suko. Dann hörten wir aus der kleinen Mundöffnung die geflüsterten Worte. »Ihr seid keine Engel. Die habe ich nur im Traum gesehen. Große Engel, so rein, mit herrlichen Flügeln. Aber ihr wollt mit mir sprechen.«
    »Gern«, sagte Suko.
    »Das ist gut. Ich kriege nur selten Besuch und bereite mich schon auf den Himmel vor. Es ist so viel geschehen auf dieser Erde…«
    »Können Sie sich denn hoch an gewisse Dinge erinnern, Schwester?« fragte ich. »Das weiß ich nicht.«
    »An die Zeit, als sie zusammen mit den Kindern waren und auf sie acht gegeben haben.«
    Die nächste Antwort erfolgte nicht so prompt wie die letzte. Die alte Frau ließ sich Zeit. Aber sie lächelte plötzlich, was uns wiederum deutlich machte, daß sie sich gern an diese Jahre erinnerte. »Ja, das war eine gute Zeit. Wir haben viele Kinder gehabt, aber ich weiß nicht, was aus ihnen wurde. Ich bin so alt. Aber ich werde wieder jung, wenn ich im Himmel bin. Dort ist alles schön…«
    Ich wollte sie von diesem Thema abbringen und sagte: »In der alten Zeit war es auch gut, nicht wahr?«
    »Sicher. Wir haben viel geholfen.«
    »Erinnern Sie sich denn noch an Namen?« Sie zögerte einen Moment. Dann hob sie die Schultern. »Nicht genau…«
    »Vielleicht an Celia…?« Ich hatte die entscheidende Frage gestellt.
    Jetzt kam es darauf an, wie sie reagierte und ob wir den Weg umsonst gemacht hatten oder nicht.
    Die Greisin bewegte den Mund. Sie hatte die Lippen mit Speichel angefeuchtet, bewegte sie auch, aber sprach noch nicht, deshalb wiederholte ich den Namen.
    »Ja, Celia«, sagte sie nur. »Sie erinnern sich?«
    »Ich kann es nicht sagen…«
    »Celia ist vor dem Heim abgelegt worden. Sie war noch sehr klein, ein Baby.«
    Es konnte, aber es mußte nicht sein. Bei meinem letzten Wort schien die Frau wach zu werden. Sie zuckte zusammen und sah aus, als wollte sie sich hinsetzen. Dabei kroch eine dünne Hand mit einer ebenso dünnen und blassen Haut unter dem Tuch hervor und umklammerte wie eine Hühnerklaue die rechte Lehne des Rollstuhls.
    Meine letzten Bemerkungen mußten bei ihr eine bestimmte Saite zum Klingen gebracht haben. Plötzlich war sie sehr aufmerksam, und von ihrer Krankheit spürten wir nichts.
    »Ja, das kleine Kind, das Baby, unsere Celia.«
    »Dann wissen Sie Bescheid.«
    »Sie war so lieb…«
    »Sie wurde adoptiert?«
    »Ja, das stimmt. Wir haben dafür gesorgt. Celia sollte ein Zuhause bekommen.«
    »Was ja auch geschah. Wie lange war das Kind denn bei Ihnen im Kloster, Schwester?«
    »Ein paar Wochen, glaube ich.«
    »Vorher…«
    »Aber nicht immer. Oder war es ein Jahr?« Sie war jetzt durcheinander und auch aufgeregt. Daran zu erkennen, wie die Finger der rechten Hand um den Griff zuckten. »Sie war mal weg.«
    Der letzte Satz hatte mich elektrisiert. Ich wußte nicht, ob die Schwester da etwas durcheinander brachte und mit diesem Wegsein die Adoption gemeint hatte. Dahinter würde ich noch kommen, aber ich spitzte weiterhin die Ohren und fragte: »Ist sie denn abgeholt worden?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Aber sie war weg?«
    »Ja.«
    »Sie haben das Kind nicht weggegeben?«
    »Nein!« Die Antwort klang entschieden. »Es ist plötzlich verschwunden. Das weiß ich noch. Es war auf einmal nicht mehr da, und dann ist es zurückgekommen.«
    »Aber doch nicht von allein – oder?«
    »Jemand hat es geholt und auch wieder gebracht. In der Nacht.«
    »Es war also dunkel. Können Sie sich an noch etwas erinnern, das in der Nacht geschehen ist?«
    »Ja, ich glaube…«
    »Und was, bitte?«
    »Da war ein Licht. Da waren auch Geräusche, und da war alles so anders geworden. Wie erstarrt. Wir alle waren erstaunt, als das Licht über uns gefallen war. Es verschwand wieder.« Sie redete jetzt sehr schnell, aufgewühlt von der Erinnerung. »Und dann war auch sie weg. Wir haben Celia überall gesucht, sie aber nicht gefunden…«
    Das mußten wir erst einmal verdauen, denn hier hatten wir die Informationen erhalten, mit denen wir beide nicht gerechnet hatten.
    Auch Sukos Gesicht zeigte einen überraschten
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