0997 - Blut für den Götzen
sorgte auch dafür, daß sie es nicht schaffte, so klar zu denken wie sonst.
»Ich muß hier raus!« flüsterte Laura. »Verflixt, ich kann es hier nicht aushalten. Ich muß nach unten.« Sie drehte sich noch in der Mitte des Zimmers um, hatte die Augen weit aufgerissen, aber Spuren, Hinweise oder das Blut selbst, das diesen Geruch ausströmte, entdeckte sie nicht.
Aber es war da!
Sie stöhnte auf. Wie unter Schmerzen, die immer stärker würden. Mit weichen Knien und auch nicht so normal wie sonst verließ sie schon fluchtartig ihr Zimmer. Laura hatte die Tür heftig aufgerissen, sie schlug sie nun ebenso heftig hinter sich zu. Das kichernde Paar auf dem Gang erschreckte sich, als es dieses Geräusch hörte, und starrte Laura an.
»Sorry«, murmelte sie, lehnte sich gegen die Wand und wischte mit der Handfläche den Schweiß aus dem Gesicht. Als sie daran roch, hatte sie den Eindruck, daß selbst ihre Hand nach Blut stank…
***
»Noch mal das gleiche?« fragte Zlatko und hatte bereits den Arm ausgestreckt.
Bill nickte.
Er bekam seinen Wodka und auch sein Wasser und einen Kommentar des Keepers kostenlos mitgeliefert. »Laura scheint heute unpäßlich zu sein, Sir.«
»Wieso? Wissen Sie mehr?«
»Nein, das nicht. Aber ich wundere mich, daß sie noch nicht hier ist.«
Bill hob die Schultern. »Es ist auch möglich, daß sie sich nicht wohl fühlt.«
»Das kann durchaus sein, Sir. Ich wünsche Ihnen allerdings, daß es nicht zutrifft.«
»Ehrlich?« fragte Bill zweifelnd.
Er bekam keine Antwort, denn Zlatko mußte sich um die anderen Gäste kümmern. Die Bar war nicht mehr so leer, und auch an den Tischen saßen die Gäste mit ihren Mädchen zusammen.
Man trank, man hatte Spaß, und die Girls machten alles mit. Bill hatte einige Gesichter dieser Kunden erkannt. Er wußte auch, wie es um ihr Privatleben bestellt war, denn oft genug gaben diese Männer damit an, wenn sie in den Zeitungen erwähnt wurden, die über ihre Tätigkeiten schrieben.
Nirgendwo zeigte sich die doppelte Moral so ausgeprägt wie hier. Bill Conolly hatte dafür nur ein müdes Grinsen übrig.
Auch links neben ihm waren die Hocker besetzt. Einen, den an der rechten Seite, hatte er für Laura freigehalten. Links saß eine dralle Blondine mit langen Haaren, die sich um einen deutschen Gast kümmerte, dessen Hand immer wieder im Ausschnitt des Mädchens verschwand, um dort Scheine hineinzustecken.
Der Reporter kümmerte sich nicht darum. Er schaute auf die Uhr. Laura Keller war schon fast eine halbe Stunde über der verabredeten Zeit, und allmählich machte er sich Sorgen. Auch fiel ihm immer wieder der Blick auf, den Zlatko ihm zuschickte. Bill mochte dieses Anstarren nicht, denn der Keeper sah aus wie jemand, der mehr zu wissen schien, dies aber für sich behielt.
Bill rauchte eine Zigarette, was bei ihm nicht oft vorkam. Er war nervös und beschloß, in Lauras Zimmer nachzuschauen, falls sie nicht in spätestens einer halben Stunde aufgetaucht war.
Als er die Zigarette ausdrückte, ging Zlatko an ihm vorbei, zwei Gläser mit Champagner auf einem Tablett balancierend, das er für die kaffeebraune Schönheit aus der Karibik bereitstellte, die an den Tischen bediente und nichts dagegen hatte, daß auch sie angefaßt wurde.
»Sie kommt, Sir.«
»Ach.«
Der Keeper wies mit den Augen an Bill vorbei, der zuerst seine Zigarette ausdrückte und sich dann auf dem Hocker drehte. Sein Blick glitt durch die Rauchschwaden zur Treppe hin, wo Laura Keller tatsächlich erschienen war. Sie befand sich noch auf der Treppe, aber sie ging längst nicht so beschwingt wie sonst. Bill kam sie vor wie ferngelenkt oder wie eine Frau, die mit den Gedanken ganz woanders ist. Zudem hielt sie sich mit einer Hand krampfhaft am Geländer fest.
Bill rutschte vom Hocker. Er wußte, daß etwas passiert war. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen, und auch wenig später, als Laura Keller die Treppe hinter sich gelassen hatte, bewegte sie sich wie fremdgelenkt an den Tischen vorbei auf die Bar zu, wo Bill sie voller Spannung erwartete.
Er schaute ihr direkt in die Augen. Auf ihn machte Laura den Eindruck, als würde sie ihn nicht wahrnehmen. Erst als sie einen Schritt von Bill entfernt war, blieb sie stehen und atmete tief durch.
Bill legte ihr beide Hände auf die fast nackten Schultern, über die sich nur die dünnen Träger des Kleids spannten. Er hauchte ihr bewußt zwei Küsse auf die Wangen und spürte bei den Berührungen seiner Lippen, wie kalt die Haut
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