1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
bitte« – ich korrigierte meinen Namen nicht, mir klebte die Zunge am Gaumen, ich war müde, ich wollte nach Hause. Ich musste meine Schwester fragen, ob sie die Kinder ins Bett bringen könnte.
»Hier ist Ihre Karteikarte. Sie sind aufgenommen. Gibt es irgendwelche Rollen, die Sie auf keinen Fall spielen würden?« Darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht.
»Was meinen Sie denn?«
Der Mann rollte die Augen. »Na, Nutten, Dealer, so was halt.«
»Kinderschänder«, platzte ich heraus, »sonst alles.« Die Crew guckte komisch.
Ich bekam eine Art Sed-Karte in die Hand gedrückt, stimmten Adresse und Telefonnummer? Man würde sich bei mir melden. Ich wollte gerade gehen, als einer der Männer aufsprang. »Nein, halt, Sie müssen noch eins weiter. Machen wir bei manchen. Wenn die besonders überzeugend waren.«
Er führte mich ein paar Türen weiter, ich solle warten, er müsse kurz drinnen Bescheid sagen. Ich lehnte mich an die Wand in dem fensterlosen Hotelflur, ich spürte meinen Durst und das wulstige Muster der Lilientapete im Rücken und wurde vom aufdringlichen Licht eines halbierten Kristalllüsters geblendet, der nachlässig an die Wand mir gegenüber angeschraubt war.
Der schwarze Mann kam raus, er erläuterte nur das Nötigste. »Sie gehen da rein, sagen Ihren Namen, und dann reagieren Sie einfach.« Dann hastete er schon weiter, dabei sprach er hektisch in sein Handy.
Ich klopfte kurz an die dunkle Tür und betrat, ohne die Antwort abzuwarten, den Raum, schaute den Nächstbesten an und sagte: »Ich heiße Petra van Laak und möchte jetzt sofort ein Glas Wasser haben.«
Ich stand vor einem quergestellten Schreibtisch, hinter dem drei Männer saßen; der in der Mitte war der Älteste und offensichtlich der Chef. Rechts in der Ecke war eine große Fernsehkamera aufgebaut, dahinter räkelte sich ein Kameramann. In einer anderen Ecke stand eine Frau, wieder mit Notizblock, neben ihr saß eine weitere Person.
In alle sechs Personen kam Bewegung, als ich mein Menschenrecht auf Wasser eingefordert hatte. Während mir die Frau ein Glas eingoss, sprach mich der in der Mitte an: »Na, so geht das eigentlich nicht, Frau äh von Lack. Jetzt gehen Sie gleich noch mal raus und kommen rein, wenn wir Sie dazu auffordern.«
Ich ging mit dem Wasserglas raus, leerte es in einem Zug, stellte es auf dem dicken Teppichboden ab, wo es sofort umfiel und zur gegenüberliegenden Wand kullerte. Ich erwog kurz, jetzt einfach wegzugehen.
»Frau von Lack!« Ich ging wieder hinein und fühlte mich an eine Prüfungssituation erinnert. Im selben Moment kam es vom Ältesten in der Mitte: »Frau von Lack, ich bin Vorsitzender Richter des Strafgerichts, links und rechts von mir sind meine Richterkollegen. Sie haben einen Radfahrer umgefahren und Fahrerflucht begangen. Bitte äußern Sie sich dazu.«
Die Kamera lief, der Kugelschreiber der jungen Frau schwebte erwartungsfroh über ihrem Block, die drei Richter starrten mich an – und ich gab alles zu. Erklärte ruhig, wie der Hergang der Tat war, wie es zur Fahrerflucht kam und so weiter. Die wollten jedoch heftigste Emotionen, die wollten Boulevard – und ich lieferte ihnen FAZ.
Ich hatte nicht mit dem Mann in der Ecke gerechnet, er fungierte als Agent Provocateur und griff mich von der Seite an, offensichtlich der Anwalt der Gegenseite, er unterstellte mir die übelsten Dinge. Ich blieb immer noch ruhig, bis er mir sagte, ich wisse wohl nicht, wie es ist, Kinder zu haben, weil ich den jugendlichen Radfahrer so kaltschnäuzig umgenietet hätte. Da sah ich rot. Ich fing an herumzuschreien, tobte, raste – der oberste Richter hob beschwichtigend die Hände, sagte tonlos »Danke« und nickte dem Kameramann zu. Die junge Frau schaute mich freundlich an. »Frau von Lack, Sie hören von uns.«
Ich ging auf den Gang zurück; das nächste Mal, wenn jemand meinen Namen nicht richtig aussprechen würde, würde ich laut schreien müssen. Auf dem Weg zurück zum Hauptflur sah ich ein Schild mit einem Pfeil, der in die Richtung wies, aus der ich gekommen war. »Super Casting« stand darauf.
Es war dunkel geworden. Bevor man das Hotel verlassen konnte, wurden alle mit einer Karte in der Hand abgefangen und durchfotografiert. Frontal, Profil, Ganzkörper. Wir waren nicht viele. Aber alle erschöpft. Manche versuchten noch, ein fernsehtaugliches Lächeln hinzubekommen; die meisten jedoch waren sehr ernst. Das müssen komische Sed-Karten sein, die die Produktionsfirma da in ihrem
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