1 Frau, 4 Kinder, 0 Euro (fast): Wie ich es trotzdem geschafft habe
eingerichteten Sekretariat hinter einer weiteren Papptür mit Aluklinke nahm man unsere Namen auf und verwies auf ein Zimmerchen, in dem die an unserer Episode Mitwirkenden warten sollten. An diesem Tag wurden mehrere Folgen der Show abgedreht.
In unserem Warteraum saß nur eine Person, ich lernte nun meinen Filmmann kennen, ein gutaussehender Typ, jünger als ich, na, hatten die sich da nicht in ihren Karteikarten vertan? Martin war ein ewiger Medizinstudent, Anfang dreißig, verdiente sein Geld fast ausschließlich mit diesen Shows und kannte sich mit dem ganzen Prozedere bestens aus.
»Wart’s ab, gleich müssen wir noch vor den Redakteuren beweisen, dass wir das Skript auch kapiert haben«, kündigte er mir an.
Eine junge Frau holte Martin und mich kurz darauf ab.
Wieder ein Raum, der hastig eingerichtet wirkte. Darin zwei junge Frauen, Typ gestrandete Geisteswissenschaftlerinnen, die sich als Redakteurinnen der Sendung vorstellten. Sie hatten die Episoden, die heute produziert werden sollten, konzipiert und mit der erforderlichen Herzschmerz-Dramaturgie versehen, unsere Charaktere erfunden und uns die grobe Richtung im Skript vorgegeben.
»Jetzt gehen wir alles noch einmal in Ruhe durch«, sagte die eine – sie sprach sehr langsam und deutlich – und forderte Martin und mich auf, einen Dialog zu improvisieren. Martin plauderte sofort munter drauflos, wir besprachen wie ein altes Ehepaar unsere Sorgen bezüglich der Nichte, wurden dann aber schnell unterbrochen.
»Das ist zu realistisch, äh, zu wenig emotional«, korrigierte uns die Redakteurin. »Sie müssen viel mehr aus sich rausgehen. Schreien Sie, mehr Gestik, bitte, werden Sie laut.«
Martin und ich versuchten so überzeichnet wie möglich zu agieren, die beiden Frauen waren nun zufrieden. Wir durften gehen, als Nächste war Dana dran, die ihre Rolle alleine vorspielen sollte.
Zurück im Warteraum waren mittlerweile meine Filmkinder mit ihren Müttern eingetroffen. Das zehnjährige Mädchen saß über Schulaufgaben gebeugt, die Fünfjährige schaute sich einen Comic an, sie blickten beide kaum auf. Ich stellte mich den Müttern und den beiden Mädchen kurz vor, aber offensichtlich fühlten sie sich dadurch nur gestört. Das ältere Mädchen hatte einen verschlagenen Blick. Hier war bereits sehr viel Routine im Spiel.
Die Mütter gehörten der Kategorie der Tennismütter an. Ihre Kinder waren sehr gut angezogen, sie zuppelten immer wieder an ihnen herum, damit nur ja keine Fältchen an der Kleidung entstünden, und fragten immer wieder nach, ob sie denn die Szene noch einmal üben wollten.
Was sind das für Leute, die ihre eigenen Kinder zu so etwas schicken? Es ging für die TV-Geschwister, so viel konnte ich mir zusammenreimen, um die Barbiepuppe der Jüngeren, der die Nichte die langen Haare abgeschnitten hatte. Wie sollte dieses kleine Mädchen allen Ernstes diese ganze seltsame Konstellation verstehen und gar schauspielern? Die Mutter schien nervöser als das Mägdelein, das etwas unbedarft an seiner Saftpulle nuckelte.
Jetzt ging es nacheinander zur Kostümanprobe, danach zur Maske. Die Frauen im Fundus suchten ein schrilles Oberteil für mich heraus, dazu einen Jeansrock und Pumps. Die Garderobe hatte keine abgetrennte Umkleide, so dass ich mit anderen Männern und Frauen zusammen die Kleidung wechselte. Überall lagen Fäden und Knöpfe auf dem Nadelfilz herum, als ich einen Garderobenständer berührte, bekam ich einen elektrischen Schlag. Ich traute mich kaum mehr, etwas in dieser mit Hektik, Lampenfieber und Stress aufgeladenen Umgebung anzufassen.
In der Maske gab es eine Massenabfertigung. In wenigen Sekunden war ich wieder draußen. Eine faltige Visagistin hatte mir Make-up auf die Wangen geklatscht, das etwa zehn Nuancen dunkler war als meine eigene Hautfarbe. Die Augenbrauen wurden dunkel nachgezogen, die Haare zu einem zickig aussehenden Nest toupiert. Das Ganze hatte den Vorteil, dass man mich im Fernsehen nicht so leicht wiedererkennen würde. So dachte ich jedenfalls.
Wir waren inzwischen schon drei Stunden vor Ort, und nun sollte sich eine weitere Wartezeit von zwei Stunden anschließen. Der Aufnahmeleiter kam ab und zu herein und informierte uns. »Wir haben Episode fünf vorgezogen, Sie sind danach dran.« – »Wir machen jetzt eine kurze Pause, bauen noch mal etwas um, dann rufen wir Sie.« – »Wir müssen noch warten, Episode zwei muss nachgedreht werden.« Und immer so weiter. Wir bekamen Kaffee und belegte
Weitere Kostenlose Bücher