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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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koloriere es. Wenn du das gut gemacht hast, darfst du dich an meinen Präparaten versuchen.«
    Seine Präparate. Tote Tiere in Gläsern, eingelegt in Spiritus, fahles Gelb, verschrumpelte Haut. Aufgespießte Schmetterlinge, die Flügel gehoben, als versuchten sie davonzuflattern, ausgestopfte Vögel, für immer erdgebunden, und die Frösche aufgeschnitten und zerstückelt. Nichts, was sie zeichnen wollte. Sie hatte es ihm gesagt.
    Ihr Vater hatte gelacht und ihr den Kopf getätschelt. »Kopf hoch, Kleines, wenn ich wiederkomme, paddeln wir gemeinsam zu den Flussinseln. Dann kannst du beweisen, was du in der Zwischenzeit gelernt hast.«
    Sie hatte nur sein Versprechen gehört und für den Augenblick ihren Kummer vergessen. »Wenn du wiederkommst? In drei Tagen, wirklich? Du versprichst es?«
    »Ja doch«, hatte er zerstreut geantwortet und seinen breitkrempigen Lederhut tief in die Stirn gedrückt. Eilig war sie ihm an Deck gefolgt.
    »Adieu, Papa, komm gesund wieder«, hatte sie geflüstert und ihn schnell auf die Wange geküsst, während er sich zum Ablegen bereitgemacht hatte.
    »Nun, nun, Töchterchen, Haltung bewahren, und keine Bange, dein alter Papa ist unverwüstlich.« Lachend hatte er einen kühnen Satz in den schmalen Einbaum gemacht, die wilden Schwankungen breitbeinig ausbalancierend. »In drei Tagen bin ich wieder da, lass dir die Zeit nicht lang werden«, hatte er gerufen und seinen Hut geschwenkt, und sie hatte ihm nachge-44
    sehen, so lange, bis ihre Tränen und die dichten Mangroven ihr den Blick auf seine hoch gewachsene Gestalt verwehrt hatten.
    Noch minutenlang stand sein Abbild als Geisterbild eingebrannt auf ihrer Netzhaut vor ihr.
    Das war vor sechs Tagen gewesen.
    Wenigstens über das Schicksal von Mr. Irons hatte sie Gewissheit erhalten, aber in einer Weise, die sie nicht unbedingt beruhigte. Einen Tag, nachdem ihr Vater aufgebrochen war, kamen drei ebenholzfarbene Männer in einem Einbaum längsseits, um ihre Waren anzubieten. Das Kanu war mit Bananenstauden und Palmnüssen beladen, und einer der lederbeschürzten Eingeborenen trug einen Stock über der Schulter, auf den er eine Kette papiertrockene Fische gespießt hatte. Er war es auch, der ein paar Brocken Französisch sprach. Catherine, die froh über jede Abwechslung war, fragte ihn, woher er kam und wohin er wollte, und als sie erfuhr, dass er aus einem Dorf in der Nähe der Missionsstation stammte, befragte sie ihn nach dem Schicksal des verschwundenen Missionars. Doch die Sprachkenntnisse des Mannes reichten nicht aus. Erst als sie ihren Zeichenblock holte, mit einer paar Strichen einen Priester mit einem Kruzifix skizzierte und es ihm hinhielt, erfuhr sie, was sie wollte.
    Weiße Männer und schwer mit Elfenbein beladene Träger waren bei Mr.
    Irons aufgetaucht. Einer der Weißen war verletzt gewesen, und der Missionar hatte ihn behandelt. Am Abend hörten die Eingeborenen laute Stimmen und Gebrüll, und der alte Mann sei aus der Hütte geschwankt. Der lebhaften Pantomime des Schwarzen entnahm sie, dass er Palmwein getrunken hatte und singend herumgestolpert war, ehe er von der Böschung abgerutscht, in den Fluss gefallen und nicht wieder auftaucht war. Plötzlich hatte die Station lichterloh gebrannt, und die Elfenbeinjäger waren mitsamt den zwei Kanus des Missionars verschwunden.
    »Diese Verbrecher haben ihn sicher betrunken gemacht, um seine Kanus zu stehlen«, hatte sie zu Wilma bemerkt, die sich mittlerweile aufgerafft hatte, auch an Deck zu kommen, und sich, bleichgesichtig und unsicher auf den Beinen, neben ihr an
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    der Reling festklammerte. »Es wird nicht allzu schwierig gewesen sein.
    Schon vor zwei Jahren legte Mr. Irons eine große Vorliebe für gegorenen Palmensaft an den Tag.«
    Wilma hatte tief geseufzt und ihre Hände an die magere Brust gelegt, die blassen Augen himmelwärts gewandt. »Gott sei's gedankt«, sagte sie mit tiefer Inbrunst. »Ich fürchtete schon, die Wilden hätten ihn gefressen.«
    Gebannt hatte Catherine dabei weiter die stummen Ausführungen des schwarzen Fischers beobachtet. Mit großen Gesten beschrieb er, was dann geschah. Unmittelbar nachdem Mr. Irons in den Fluss gefallen war, hatte es einen mächtigen Wirbel im Wasser gegeben, es hatte gekocht, als würde es von einer Riesenfaust umgerührt, und ein großes Krokodil lag danach für Tage faul mit aufgesperrtem Rachen am Ufer. Sein Wanst hatte einen beachtlichen Umfang, und an Beute schien es nicht interessiert zu sein. Der Fischer

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