10 - Das Kloster Der Toten Seelen
trat in die Mitte des großen Raumes. Dort stand schon Eadulf Cathen genau gegenüber. »Prinz Cathen, bitte bestätige vor diesem Gericht, daß ich und Bruder Eadulf durch die Genehmigung und Vollmacht von Gwlyddien, deinem Vater, dem König von Dyfed, hier zu sprechen befugt sind.«
»Das wird in vollem Umfang bestätigt. Schwester Fidelma von Cashel und Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham, die in ihrer Heimat als Richter tätig sind, sind im Auftrag meines Vaters, des Königs von Dyfed, nach Pen Caer gekommen. Um die Sache zu erleichtern, hat der König verfügt, sie als ehrenamtliche barnwrs dieses Königreiches anzuerkennen. Wir sind hier, um uns das Resultat ihrer Ermittlungen anzuhören.«
Fidelma blickte sich feierlich um, als sammle sie noch einmal ihre Gedanken, dann wandte sie sich an Prinz Cathen. »Wir sind zusammen mit Bruder Meurig nach Llanwnda gekommen, denn zwei Fälle bedurften der Untersuchung. In dem einen Fall hatte uns König Gwlyddien um Hilfe gebeten – es ging um das Verschwinden der Mönche von Llanpadern. Der andere Fall war der, den Bruder Meurig – als erfahrener Richter dazu ausgewählt – untersuchen sollte, nämlich den Tod von Mair, der Tochter von Iorwerth, dem Schmied dieses Ortes.
Anfänglich nahmen wir an, daß diese beiden Fälle nichts miteinander zu tun hätten. Dann fragte ich mich, ob es nicht doch einen Zusammenhang geben könnte, denn bestimmte Personen waren in beide Fälle verwickelt.«
In der Halle war kein Laut zu vernehmen, als Fidelma einen Moment lang schwieg.
»Prinz Cathen, mit deiner Erlaubnis werde ich bei der Darlegung beider Fälle mit Mairs Ermordung und dem Resultat beginnen …«
»Einspruch!« rief Gwnda. »Dieser Fall überschreitet die Kompetenz einer Fremden, ganz gleich was sie für ein Ansehen in ihrem Land genießen mag.«
Cathen brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen. »Ich habe bereits über ihren Aufgabenbereich entschieden«, sagte er streng. »Mein Vater hat verfügt, daß sie auch den Tod von Bruder Meurig untersuchen und Beschuldigungen vorbringen darf. Und da dies der Richter war, der in Mairs Tod ermittelt hat, so meine ich, daß es nun auch zu ihren Pflichten gehört, ihre Beweisführung in diesem Fall vorzutragen.«
»Bruder Meurig ist von Idwal umgebracht worden. Idwal hat auch Mair ermordet. Das Verbrechen sollte zu den Akten gelegt werden«, widersprach Gwnda.
»Leugnest du etwa, daß auch dir schon Zweifel an Idwals Schuld gekommen sind?« fragte Fidelma. »Deine Tochter Elen nahm an, daß man Mair versehentlich umgebracht hat. Weil sie gewisse Verschwörer im Wald belauscht hatte, sollte sie dran glauben, so dachte sie. Stimmt das nicht, Gwnda? Du hast sogar erlaubt, daß Elen mir das mitteilte.«
»Aber ich habe mich ihrer Sicht der Dinge nicht angeschlossen«, erwiderte Gwnda gereizt.
Cathen blickte in Elens von Furcht gezeichnetes Gesicht. »Ist das wahr, Elen? Hast du das gesagt, und hat dein Vater dir erlaubt, darüber mit Schwester Fidelma und Bruder Eadulf zu sprechen?«
»Es ist wahr«, antwortete ihm Elen ehrlich, froh schien sie darüber aber nicht zu sein.
Cathen schaute wieder zu Fidelma. »Dann ist Gwndas Einspruch abgelehnt. Fahr fort, Fidelma von Cashel.«
Fidelma hielt kurz inne, als ordne sie ihre Gedanken.
»Die Ursprünge dieser Tragödie – und damit meine ich Mairs Tod – reichen viele Jahre zurück. Es ist besser, wenn ich die Geschichte so genau wie möglich wiedergebe. Sollte mir ein Irrtum unterlaufen, werden mich die hier versammelten Zeugen berichtigen. So werdet ihr schließlich erfahren, daß die Hand, die Mair ermordete, nicht die gleiche war, die Bruder Meurig umgebracht hat.«
Gemurmel wurde laut in der Halle. Der Schreiber klopfte auf den Tisch, und es kehrte wieder Ruhe ein.
»Wie ich bereits sagte, die Ursprünge dieser Tragödie reichen viele Jahre zurück und liegen an einem Ort nicht weit von hier, der Dinas heißt«, fuhr Fidelma fort. Goff rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. »Zwei junge Lehrlinge arbeiteten damals in der Schmiede von Gurgust. Einer der beiden war Goff, der andere Iorwerth, Mairs Vater. Gurgust, der Schmiedemeister, hatte eine Tochter namens Efa.«
Elen lehnte sich neugierig vor.
»Iorwerth schwängerte Efa. In einem Zornesausbruch warf Gurgust seinen Lehrling Iorwerth hinaus. Seine Wut verrauchte nicht, so verstieß er auch seine eigene Tochter. Verzweifelt nach Sicherheit suchend, ließ sich Efa mit einem umherziehenden Krieger ein, den die
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