10 - Das Kloster Der Toten Seelen
und lief auf die Hütte zu.
Eadulf war wieder herausgetreten. Er lehnte sich kreidebleich gegen den Türpfosten, starrte sie an und brachte zunächst kein Wort heraus. »Da drinnen …«
Fidelma sah ihn erschrocken an. »Der Holzhacker?« fragte sie. Eadulf hatte schließlich in Tuam Brecain studiert, um Apotheker zu werden. Da sollte er doch an den Anblick von Blut gewöhnt sein. »Ist er schwer verletzt? Komm schon, Eadulf, wir wollen dem armen Mann helfen. Du bist doch sonst nicht so empfindlich.«
»Es ist zu spät«, stieß Eadulf leise hervor.
Fidelma schob ihn beiseite und betrat die kleine Hütte. Das Licht von der Tür fiel auf die Gestalt am Boden. Sie beugte sich über den hingestreckten Körper.
Sie sah folgendes: Das Genick des Mannes war durchtrennt worden. Es handelte sich nicht um einen Unfall. Jemand hatte den Mann mit der Axt ermordet und ihn tot oder sterbend liegengelassen.
Der Tote war kein Waldbewohner. Er trug das Gewand eines Mönches.
Da erkannte sie schließlich das von Todesqualen verzerrte Gesicht: Es war Bruder Meurig.
K APITEL 12
Schweigend ritten sie in Llanwnda ein. Fidelma hatte seit ihrem Aufbruch von der Hütte im Wald nur wenig gesprochen. Als sie die Brücke über den Fluß in die Ortschaft überquerten, vernahmen sie aus der Schmiede den Klang des Schmiedehammers und das Ächzen des Blasebalgs. Dann sahen sie Iorwerth bei der Arbeit. Er hatte kaum einen Blick für die vorbeiziehenden Fremden. Auf dem Platz hinter der Brücke, wo vor zwei Tagen die aufgebrachte Menge versucht hatte, Idwal zu erhängen, lag immer noch der riesige Holzhaufen, aufgeschichtet für ein Feuer. Hier und dort spielten Kinder. Leute standen herum und schwatzten miteinander, andere warfen neugierige Blicke auf Fidelma und ihren Begleiter.
Eadulf schaute zu Fidelma. Ihm war klar, daß sie der Mord an Bruder Meurig stark beschäftigte. Die Ermordung eines Geistlichen war gewiß ein scheußliches Verbrechen. Als er sich in Mutmaßungen über den Täter hatte ergehen wollen, hatte sie wie immer erwidert: »Es hat keinen Sinn zu spekulieren.« Sie hatte den Vorfall nicht weiter mit ihm erörtern wollen, obwohl er spürte, daß sie während des Ritts in Gedanken verschiedene Möglichkeiten durchspielte. Das hatte ihn verärgert.
Fidelma nahm seinen Verdruß zwar wahr, wollte ihn aber auf keinen Fall an ihren Überlegungen teilhaben lassen. Sie zog es vor, in Ruhe nachzudenken. Sie hatte sich Bruder Meurigs Leiche genau angesehen, ebenso die Hütte, die Axt und die Umgebung. Doch sie war auf nichts gestoßen, was Licht in das Dunkel hätte bringen können. Was hatte Bruder Meurig im Wald zu suchen gehabt? Hatte er sich die Stelle anschauen wollen, an der Mair umgebracht worden war? Wenn dem so war, weshalb war er auf eine so hinterhältige Weise getötet worden?
Es hatte keinen Sinn, all das mit Eadulf zu besprechen. Er stellte sich sicher dieselben Fragen.
Die friedliche Ruhe in Llanwnda stand in krassem Gegensatz zu dem, was sie in der Hütte im Wald entdeckt und im Kloster Llanpadern erlebt hatten. Niemand schien überrascht, sie wiederzusehen. Niemand schien sich über ihr Eintreffen zu wundern.
»Laß uns gleich Gwnda aufsuchen«, meinte Fidelma zu Eadulf. Langsam ritten sie auf den Wohnsitz des Fürsten von Pen Caer zu.
Erst als sie absaßen und ihre Pferde an einem Pfahl vor dem Fürstensitz festbanden, trat Gwnda heraus. Er schien sich nicht gerade zu freuen über ihre Ankunft.
»Was gibt es Neues aus Llanpadern? Ihr seid rasch wieder hier«, begrüßte er sie ohne jede Begeisterung.
Fidelma betrachtete ihn genau. »Weißt du, wo sich Bruder Meurig aufhält?« fragte sie.
»Ich habe keine Ahnung. Er ist heute vormittag aufgebrochen«, antwortete Gwnda.
»Wohin?«
Gwnda zuckte mit den Schultern. »Das hat er mir nicht gesagt.«
»Wann wollte er zurück sein?«
»Hat er auch nicht gesagt.«
Fidelma versuchte, ihre Wut zu unterdrücken.
»Hat er jemand anderem mitgeteilt, was er vorhat?« fragte nun Eadulf.
»Der barnwr ist ein verschwiegener Mann.« Gwnda lächelte gleichgültig. Dann bemerkte er, wie müde und erschöpft Eadulf und Fidelma aussahen. »Ihr scheint keine gute Unterkunft gefunden zu haben. Gab es in Llanpadern kein Bett für euch? Letzte Nacht ging hier ein schlimmes Gewitter nieder.«
»Wir mußten in einer Höhle Zuflucht suchen«, erklärte Eadulf kurz. »Doch jetzt würden wir uns über ein Bad und saubere Wäsche freuen.«
»Bis zu eurem Aufbruch zur Abtei
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