10 - Operation Rainbow
jetzt auf die Weide führte. Dmitrij wanderte zum großen Scheunentor, und das Tier folgte ihm friedlich in die klare Morgenluft. Ein paar Minuten später tauchte auch Killgore auf, rittlings auf seinem Pferd, das nach einem Wallach aussah.
»Wissen Sie, wie man aufsitzt?« fragte der Arzt.
Popov glaubte, genug Westernfilme gesehen zu haben. Mit dem linken Fuß trat er in den Steigbügel und zog sich hoch, schwang das rechte Bein über die Kruppe und ertastete den zweiten Steigbügel.
»Gut so! Und jetzt die Zügel so halten wie ich und mit der Zunge schnalzen!« Killgore machte es ihm vor. Popov führte alles aus, was ihm gezeigt wurde, und die Stute, die es wil lig über sich ergehen ließ, lief ein paar Schritte. Wahrscheinlich reagierte auch er selbst instinktiv, dachte Popov; offenbar verhielt er sich nicht völlig falsch, und das ohne jede Anleitung! War das nicht seltsam?
»Auf geht's«, rief der Doktor aufmunternd. »So soll es auch sein, oder? Ein schöner Morgen und auf dem Rücken eines Pferds eine neue Welt erobern!«
»Allerdings ohne den Colt«, bemerkte Dmitrij feixend.
Killgore stimmte in das Gelächter ein. »Indianer oder sonstige Bösewichter werden uns schon nicht auflauern, mein Lieber. Kommen Sie!« Mit den Füßen stieß Killgore sein Reittier sanft in die Seiten, um den Trab zu beschleunigen, und Buttermilk lief ebenfalls schneller. Popov paßte sich, so gut es ging, Buttermilks Rhythmus an und ließ sich mit ihm treiben.
Ein wunderbares Gefühl, dachte er; jetzt begriff er das Ethos all der kitschigen Westernfilme, die er gesehen hatte. Das Reiten war ein Urerlebnis des Mannes, und jetzt fehlte ihm eigentlich nur noch ein gescheiter Cowboyhut und der sechsschüssige Colt. Er tastete in seinem Jackett nach der Sonnenbrille, ließ seinen Blick über die sanft gewellten Ebenen schweifen und freute sich, ganz in dieser Landschaft aufzugehen.
»John, ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet«, erklärte er aufrichtig. » So etwas Schönes habe ich noch nie erlebt. Es ist wundervoll.«
»Das ist die Schönheit der Natur, mein Lieber. - Auf, auf, Mystic«, rief er seinem Pferd zu, das jetzt ein wenig Tempo zulegte, während sich der Doktor umdrehte, um zu sehen, ob Popov auch jetzt noch Schritt halten konnte.
Jetzt war es nicht mehr so einfach, die eigenen Bewegungen mit dem Schaukeln zu koordinieren, aber nach einer Weile gelang es ihm besser, und er konnte aufholen.
»So also haben die ersten Amerikaner den Westen besiedelt...?«
Killgore nickte. »Genau. Einst wimmelte es hier von Büffeln, drei oder vier große Herden, so weit das Auge reichte...«
»Und was ist aus ihnen geworden?«
»Jäger haben sie ausgerottet, in einem Zeitraum von kaum einem Jahrzehnt war es vorbei. Oft mit ganz simplen Schrotgewehren wurden sie getötet, der Felle wegen, um Bettvorleger daraus zu machen, oder um sidh das Fleisch zu holen - manche nur, um die Zungen rauszuschneiden!« Sinnlos abgeschlachtet, nicht anders, als Hitler mit den Juden verfuhr, dachte Killgore kopfschüttelnd. »Eines der größten Verbrechen, das Amerika je begangen hat, Dmitrij. Sie mußten sterben, weil sie dem Fortschritt im Weg waren. Aber sie werden wiederkehren«, fügte er hinzu und fragte sich, wie lange es wohl dauern mochte. Fünfzig Jahre? Dann hatte er die Chance, es noch selbst zu erleben. Oder ein ganzes Jahrhundert? Man würde natürlich auch Wölfe und Odland-Grizzlys wieder freilassen, doch Raubtiere waren scheu und vermehrten sich langsamer als ihre Beutetiere. Er hätte für sein Leben gern die Prärie im Naturzustand gesehen, wie viele andere Teilnehmer des Projekts, und manche von ihnen wollten in Tipis leben wie einst die Indianer. Doch das, fand Killgore, war wiederum das andere Extrem - politische Marotten, die den gesunden Menschenverstand trübten.
»Hallo, John!« rief jemand, der hundert Meter hinter ihnen aufgetaucht war. Beide wandten sich um und sahen, wie eine Gestalt ihnen hinterhergaloppierte. In einer Minute würden sie das Gesicht erkennen.
»Kirk! Seit wann bist du denn hier?«
»Gestern abend eingeflogen worden«, antwortete MacLean. Er brachte seinen Gaul zum Stehen und schüttelte Killgore die Hand. »Und Sie?«
»Letzte Woche, mit der Binghamton-Gruppe. Wir hatten die Operation beendet und hielten es für besser, Leine zu ziehen.«
»Und sind denn alle...?« fragte MacLean in bangem Ton, der Popov plötzlich aufmerken ließ. Was war mit allen?
»Ausnahmslos«, gab Killgore nüchtern
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