10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
Leute riefen ärgerlich, und Cäsar Borgia zerrte an meinem Arm und versuchte, mich zur Ruhe zu bringen.
»Ich will keinem die Freude verderben«, brüllte ich. »Ihr Leute seht nur weiter auf den Bildschirm; ich führe weiter mein Gespräch.«
Aber ich wollte nicht zu Leuten sprechen, die in Federbetten schliefen. Deshalb setzte ich mich hin, ohne noch ein Wort zu sagen.
Borgia ließ sich neben mir mit einem Seufzer der Erleichterung in einen Sessel fallen.
Plötzlich fühlte ich mich sehr, sehr traurig. Das Leben war nicht mehr das, was es einmal gewesen war, vor vielen, vielen Jahren, als ich dieses Gatten Frau hätte heiraten mögen.
»Physisch kann man eine Woche zurückgehen«, raunte ich ihm zu, »optisch aber siebenundzwanzig Jahrhunderte. Eine traurige Sache.«
Es war eine traurige Sache.
Auch die Leute auf dem Schirm waren traurig.
Sie lebten im Vergnügungszeitalter, schienen aber nur wenig Spaß daran zu haben. Ich wollte für sie weinen, doch überlegte es mir anders, als ich sah, daß sie im Augenblick nur wie lebendige Geschichte schienen. Ich sah sie dort als Teile einer Periode stecken, einige Generationen bevor das Lesen und Schreiben vollkommen abgeschafft wurden und die Literatur für immer ihre erdgebundenen Fesseln sprengte. Herzlich wenige kümmerten sich um die geschichtlichen Vorbilder.
»Ich hatte eine Idee; von der ich dir erzählen möchte, Kackisch«, sagte ich. Es war eine gute Idee.
»Hat das nicht Zeit?« fragte er. »Ich möchte mir gern dieses Stück ansehen.«
»Ich muß es dir sagen, ehe ich’s vergesse.«
»Komm mit«, meinte er resigniert, und er erhob sich.
»Du bist mir zu loyal«, beschwerte ich mich. »Du verwöhnst mich. Ich werde das dem heiligen Petrus sagen.«
Ganz bescheiden folgte ich ihm in einen Vorraum. Er nahm sich einen Drink vom automatischen Barmixer, der in der Ecke stand. Er zitterte. Ich zitterte nicht, obwohl im Hintergrund meiner Gedanken eine Menge Dinge lauerten, die mich leicht zum Zittern hätten bringen können.
»So fang schon an, was zum Teufel es auch sein mag, was du sagen willst«, rief er mir zu, indem er sich eine Hand vor die Augen schlug. Diesen Trick habe ich schon früher einmal bei ihm gesehen; er wendete ihn an, als ich Parowen Scryban zum erstenmal tötete, ich weiß es jetzt wieder ganz genau. Mein Gedächtnis ist in Ordnung; von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen.
»Ich hatte diese Idee«, sagte ich, in dem Versuch, sie mir in Erinnerung zu rufen, »diese Idee … ach ja! Geschichte. Mir kam der Gedanke, als ich die Leute aus dem Einundzwanzigsten sah. Die Mythologie ist der Schlüssel zu allem, nicht wahr? Ich meine, ein Mensch baut sein Leben auf einer Reihe von Mythen auf, nicht wahr? Gut, in unserer Welt, der sogenannten ›Westlichen Welt‹, waren diese angenommenen Mythen bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts religiöser Natur. Zu dieser Zeit gab es in Europa eine Menge Gelehrte und Dichter, oder zumindest Adepten, und so wurden die Mythen für ein paar Jahrhunderte literarisch: Die Tragödie war nicht länger mehr der Unterschied zwischen Anmut und Natur, sondern zwischen Kunst und Wirklichkeit.«
Julius hatte seine Hand sinken lassen. Es interessierte ihn.
Ich sah, er fragte sich, was wohl als nächstes käme. Ich wußte es selbst nicht genau.
»Dann die technischen Hilfsmittel – Fernsehen, Elektronengehirne, Frequenztaster aller Bauarten – das Ende der Kultur«, sagte ich. »In die Leere hinein drängte sich der Zeitschirm. Unsere Mythologien sind nun historisch; die Tragödie ist, daß wir nicht in die Zukunft sehen können.«
Ich strahlte ihn an – ich ließ ihn nicht wissen, daß ich mich jenseits aller Tragik befand. Er saß nur da. Er sagte
Weitere Kostenlose Bücher