10 SCIENCE FICTION KRIMINAL-STORIES
hatte guten Grund, es nicht zu tun.
Die Zeit verging.
Das Loch füllte sich jetzt immer rascher mit dem Wasser von den Hügeln. Die Luft war um zehn Grad kälter. Noch immer heiß – schrecklich heiß für irdische Begriffe, und als unser Teil der Venus auf die Schattenseite rollte, wurde das Wasser der gesättigten Luft entzogen, und es mußte irgendwohin. Das Loch war jetzt ein hundert Hektar großes Bassin dampfenden schlammigen Wassers. Alles, was von dem roten Matsch vor sechs Stunden übriggeblieben war, waren einige wenige emporragende Inseln. Diane befand sich auf einer von ihnen. Aber nach einer Weile, vielleicht einer sehr kleinen Weile, würden alle diese Inseln verschwunden sein. Zur Zeit der Flut wäre dann die seichteste Stelle im Loch zwanzig Meter tief.
Und nicht nur der Tod des Ertrinkens bedrohte sie. Das Wasser war zudem noch heiß!
Die Zeit verging …
Dann vernahm ich Dunlaps keuchenden Atem, und einen Augenblick später das Klatschen seiner Ruder, als er blindlings im Nebel auf mich zusteuerte.
»Hierher!« rief ich.
Sekunden später fand er mich.
Ich kletterte an Bord, und wir ruderten schwerfällig hinaus auf den zähflüssigen Teich, immer Dianes Schluchzen nach.
*
Ein ungläubiger Ausruf: »O Gott!« Ich griff nach ihr im Nebel. Es war, als umarme Leander seine Hero, noch triefend naß vom sturmgepeitschten Hellespont; sie verkörperte Sinn und Inhalt meines ganzen Lebens.
Dann fühlte ich, wie sie plötzlich erstarrte.
Sie kniff die Augen zusammen, spähte durch den heißen Nebel. Mit brüchiger Stimme sagte sie: »Es ist – es ist der Erdling!«
Ich sah mich um.
Dunlap stand da, unbeholfen, peinlich berührt. Sein Gesicht war halb abgewandt.
Er räusperte sich. »Ich kann es Ihnen erklären«, sagte er, wie um Vergebung heischend.
»Was erklären, Herr Dunlap?«
Er fuhr sich an den Hals. »Ich meine, ich habe mir nichts anderes erwartet. Ich wußte, sie würde nicht begreifen, was geschah. Da steh’ ich nun und versuche, Ihnen zu helfen, und …«
»Was geschah denn?«
Diane kreischte wütend: »Er ist derjenige! Er hat dich bewußt abgelenkt, ich schwöre es! Und dann kam der Nebel, erinnerst du dich? Und jemand packte mich. Packte mich!«
»Ich weiß, Liebling.«
»Aber es war physisch] Wie ein Erdling. Es muß er gewesen sein! Er packte mich und brachte mich mit einem Boot hier heraus. Und ließ mich zurück. Und dann kamen ein paar Leute vorbei, und ich rief ihnen zu, und – und sie ignorierten mich. Er tat es!«
»Aber ich war es nicht, ich schwöre es! Fragen Sie Ihren Freund! Ich war bei ihm, oder?«
»Sie waren etwa drei Minuten lang bei mir.« Ich drückte seinen Arm. »Aber Sie haben es nicht getan«, beruhigte ich ihn. »Ich weiß das. Er war es nicht, Diane.«
»Wer denn?«
Ich winkte ab. »Hab ein wenig Geduld, Diane. Nur noch für ein paar Augenblicke.«
Wir standen da. Dann hörten wir Stimmen im Nebel.,. das Klatschen eines Paddels … und hierauf ein vertrautes Wimmern: das monotone Klagelied eines Niemands. »Herr? Bitte, Herr. Ich habe seit drei Tagen nichts mehr gegessen …«
»Vince!« rief ich. »Hier sind wir.«
Im nächsten Moment schälte er sich aus dem Nebel, musterte uns und nickte. Hinter ihm standen andere Gestalten.
»Wer zum Teufel sind die?« verlangte Dunlap zu wissen, mit einem nervösen Griff an sein Schild.
»Niemand«, sagte ich. »Überhaupt niemand.«
Es waren vier, allesamt Schatten im Nebel. Sie hatten keine Gesichter, nur vage, schemenhafte Umrisse – und leise Stimmen, die echoten: »Niemand, Herr. Niemand.«
»Aber vielleicht«, sagte ich ruhig, »werden sie nicht immer Niemands sein. Vielleicht eines Tages wieder Jemands.«
*
Dunlap, heiser: »Ich weiß zwar nicht, was Sie vorhaben, Herr Sawyer, aber es gefällt mir gar nicht.
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